Morbides Verlangen 8

Morbides Verlangen 29. Sep. 2022

Warnung:

Wir erinnern uns daran, dass dies nur eine fiktive Geschichte ist. Der Inhalt soll schockieren, abschrecken und Angst auslösen.  Das Leben ist kostbar. Das Leben ist ein Geschenk und man sollte andere so behandeln, wie man selbst gerne behandelt werden möchte. Mit Respekt, Liebe und Verständnis. Solltest du dunkle Gedanken haben, die dich drohen einzunehmen, dann suche dir bitte Hilfe. Es gibt immer eine helfende Hand, man muss danach nur greifen wollen.

Achtung Triggerwarnung, enthält sensible Themen wie Depressionen/Selbstmord und erotische Inhalte, FSK +18

Ich muss total irre sein. Ja, irre. Ich starre auf die Stockwerkanzeige des Lifts und gebe zu, ich habe den Knopf für die erste Etage vielleicht ein paar Mal zu oft gedrückt, weil ich einfach nur weg von hier will. Weg von Georg, weg von meinem blöden und nassen Schreibtisch. Die Nervosität klebt an mir wie Harz und ich fühle mich wie ein Hase gejagt von einem Fuchs, hyperventilierend und mit rasendem Herzen in der Brust.
Aus einem mir total unerklärlichen Grund rede ich sogar mir ein, dass Georg weiss, was ich auf meinem Schreibtisch getan habe. Doch vielmehr quält mich die Frage, was Nachtwolf wohl mit dem Slip vorhat? Ist das nur eine Mutprobe oder ist er etwa ein Mann, der seine Nase gerne in getragene Unterwäsche steckt? Ich habe gehört, es gibt Männer, die auf sowas stehen. Ich habe mir nie wirklich Gedanken darüber gemacht, aber die Vorstellung von Nachtwolf’s schönen Händen, die über den Stoff meines Slips streicheln, erregt mich irgendwie. Es hat etwas Animalisches. Verdorbenes und Verbotenes.

Als die Türen des Lifts aufgehen, bin ich froh, dass mir niemand entgegenkommt und ich mehr oder weniger heimlich aus dem Gebäude verschwinden kann, zumindest ohne ein weiteres peinliches Aufeinandertreffen.
Der kürzeste Weg zur Post führt durch die U-Bahn, aber da ich nicht, ausgerüstet mit getragener Unterwäsche in meiner Tasche, wie eine Sardine eingequetscht zwischen Person A und B feststecken möchte, nehme ich den längeren Weg, der durch die Stadt führt. Was sich im Nachhinein nicht als die viel bessere Option herausstellt. Ein paar Passanten werfen mir merkwürdige und fragwürdige Blicke zu, als ich an ihnen vorbei eile, als hätte ich soeben einen Kiosk oder sowas in der Art ausgeraubt. Einen Kerl hätte ich beinahe umgenietet, als er mich anhalten wollte, um nach einer Zigarette zu fragen. Und ein anderer stellte sich mir in den Weg, um mir irgendeinen Flyer zu zustecken, der ohnehin gleich wieder im nächsten Abfalleimer gelandet wäre. Entweder habe ich auf meinem Kopf ein rot blinkendes Licht, das allen signalisiert, dass ich gerade auf einer Höschen-im- Umschlag-Mission bin und diese Tatsache plötzlich als Einladung gesehen wird, mir das Leben schwerer als ohnehin schon zu machen, oder mir ist bisher einfach nie aufgefallen, wie total aufdringlich die Menschen in der Stadt sind. Höchstwahrscheinlich Letzteres, auch wenn die leise paranoide Stimme in meinem Kopf mir etwas ganz anderes zuflüstert.

Direkt vor der Post bleibe ich kurz stehen. Soll ich das wirklich machen? Ist das nicht eine Spur zu intim oder komisch? Prompt muss ich an mein Medizinschränkchen zuhause denken und an die vielen farbigen Pillen, die innewohnen. Ach, was soll schon passieren, Emily. Es ist nur Unterwäsche. Die du getragen hast. Während du gekommen bist.

Mit schweißnassen Fingern stosse ich die Tür zur Post auf und stelle mich in die Schlange, die zum Glück nur aus drei Leuten besteht. Eine Frau mittleren Alters im selbstgehäkelten bunten Strickpullover mit einem Karton in der Hand so groß, als ob sie vorhat, den abgetrennten Kopf ihres Exmannes zu verschiffen, diskutiert gerade angeregt mit dem sichtlich genervten und gestressten Postmitarbeiter, der nur seinen Job macht und ihr deutlich mit einem strengen Blick zu verstehen gibt, dass er dieses Paket nicht gratis nach Neapel oder sonst wohin verschicken darf.
Hinter der Frau steht ein dicker Mann an. Er hat graumeliertes Haar, trägt einen teuren Anzug und tippt so fröhlich auf seinem Smartphone herum, als hätte er gerade im Lotto gewonnen. Und vor mir wartet eine schlaksige Frau in grünen Gummistiefeln und orangefarbenem Regenmantel. In ihrer Hand entdecke ich gefühlt hundert pinke Briefumschläge mit Herzchen drauf. Wahrscheinlich Hochzeitseinladungen.
Da fällt mir auf,… verdammt. Ich habe gar keinen Briefumschlag dabei und ich kann dem Postmitarbeiter, der sowieso schon genervt von der Strickpulli-Frau ist, doch nicht einfach meinen getragenen Slip vor die Nase legen! Gut gemacht, Emily. Ist ja nicht so, als wäre in der Kommode unter deinem Schreibtisch im Büro ein ganzer Haufen Umschläge in allen Grössen und Farben. Muss halt eine Notfalllösung herhalten. Meine Augen suchen die Posthalle ab und wie nicht anders zu erwarten gibt es hier natürlich Umschläge zu kaufen für Vollidioten wie mich, die sie zuhause, oder eben im Büro, liegen gelassen haben. Schnurstracks steuere ich auf das Regal zu und schnappe mir einen A-4 Umschlag aus dem Stapel. Jetzt muss ich nur noch unbemerkt den Slip in den Umschlag befördern. Wie als hätte ich etwas zu verbergen, was ich ja auch habe, sondiere ich meine Umgebung und gehe dabei unauffällig ein paar Schritte rückwärts in Richtung Postkarten-Drehdings und positioniere mich dahinter.

Als die Luft rein ist, schiebe ich den Briefumschlag in meine Tasche und gerade als ich den Slip darin verschwinden lassen will, spüre ich, wie mich jemand von hinten an der Schulter antippt. Scheisse.

«Junge Dame, wollen Sie den Briefumschlag etwa klauen?»

Der Mann räuspert sich und als ich mich umdrehe und in ein anklagendes Gesicht blicke, spüre ich, wie meine Wangen automatisch Feuer fangen und gleichzeitig meine Füsse auf dem Boden festfrieren. Vor mir steht tatsächlich ein uniformierter Polizist mit Schnurrbart über der Oberlippe und einem Ziegenbärtchen am Kinn. Seine Schultern gleichen einem Landeplatz für Flugzeuge und als würde ich mich in diesem Moment nicht ohnehin schon klein und zerbrechlich fühlen, ist der Herr auch noch so groß wie ein Oger und mindestens genauso angsteinflößend. Ich schnappe nach Luft und klammere mich an meiner Tasche fest.

«Ich äähh,….»

Mehr bringe ich nicht heraus. Tränen sammeln sich in meinen Augen und ich verfluche mich, nicht mit einem losen Mundwerk gesegnet worden zu sein, um mich damit aus der blöden Situation mit einem flotten Spruch heraus zu meistern.

«Bernd, endlich. Wird auch Zeit. Kannst du bitte mal zur Hand gehen?», meldet sich der Postmitarbeiter im Hintergrund zu Wort und hilft mir damit unbeabsichtigt aus der Patsche. Der Polizist mustert mich nochmals misstrauisch von oben bis unten, bis er sich, die Nase rümpfend, zum Postmitarbeiter umdreht und dem Postmitarbeiter zur Hilfe eilt, denn mittlerweile flucht und fuchtelt die Lady mit dem Strickpullover vor dem Postschalter herum und hält den ganzen Betrieb auf.

Ich spüre, wie das Blut in meinen Adern wieder anfängt zu zirkulieren und atme erleichtert ein und wieder aus. Das… war knapp. Völlig fertig mit der Welt, löse ich meinen Griff von meiner Tasche und stopfe den Slip blitzschnell in den Umschlag. Dann hole ich den Brief heraus, steuere auf einen der Tische mit Kugelschreiber zu und werfe einen Blick auf mein Handy. Super. Ob der Slip überhaupt ankommen wird, wenn weder Name noch Firma auf dem Briefumschlag steht, sondern nur die Adresse? Soll ich einfach ‘An Nachtwolf’ auf den Umschlag schreiben? Wie absurd ist das denn? Ich mache mir schon wieder zu viele Gedanken und vielleicht hätte ich den Briefumschlag vor Einfügen des Inhalts beschriften sollen. Genervt von mir selbst, kritzle ich die Adresse auf das Papier, dabei bedacht, nicht zu fest zuzudrücken und schreibe einfach Nachtwolf’s Nickname in die Mitte des Umschlags. Nach weiteren zehn Minuten Abwägens, ob das wirklich eine gute Idee ist, gebe ich den Brief einfach ab, sage dem Postmitarbeiter, er solle den Brief Express verschicken und bezahle in bar.

Auf der Straße gegenüber des Postschalters entdecke ich einen Kiosk. Ich habe es lange nicht mehr getan und ich weiss, ich werde es bereuen, wieder anzufangen. Aber ich kann gerade nicht anders. Es muss einfach sein.

Mit einer Packung Zigaretten ausgerüstet, angle ich mein Handy aus der Tasche und schreibe Nachtwolf eine Nachricht..


Schatten:             Das Paket ist unterwegs.

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