Hi Stalker - 3
Während ich das Bürogebäude verlasse, trauere ich keine Sekunde dem Job nach, den ich gerade wegen dir gekündigt habe, Stalker. Irgendwie fühle ich mich befreit, wie losgelöst von einem Ballast, der mich schon viel zu lange unter sich erdrückt hat.
Eigentlich sollte ich dir danken, aber zuerst werde ich mich um eine Einnahmequelle bemühen müssen. Ich habe bereits eine Option in Aussicht. Dafür mache ich einen Abstecher in den Dessousladen um die Ecke und decke mich dort neu ein. Passend zu meiner neuen Haarfarbe suche ich mir ein paar schöne Teile aus. Ein fliederfarbener Hauch von Nichts, der kaum meine intimsten Regionen zu verdecken vermag und etwas unschuldig Weißes, weil ich Kontraste so sehr mag.
Was denkst du, wie unterschiedlich wir sind? Oder sind es die Gemeinsamkeiten, die dich anziehen und nicht mehr loslassen? Was ist es, was dich so sehr an mir fasziniert, dass deine wachsamen Augen an mich bindet wie ein Gehängter an ein Seil? Deine Nähe ist für mich wie ein Sprung in die Tiefe. Was mich erwartet, ist ungewiss und beängstigend - und ich stehe am Rand der Klippe. Meine Gedanken kreisen rund um die Uhr. Werde ich springen und mich fallen lassen oder wirst du derjenige sein, der mich in den Abgrund stoßen und fangen wird?
Ich gehe die Straße weiter und verschwinde im Elektronikladen. Ich lasse mich von einem der Verkäufer beraten und stelle mir vor, du bist der Mann vom Fach, der mich gerade in diesem Moment über dies und jenes berät und dabei nervös an seinem Hemd herum spielt. Wir reden über Spionage und Kameras. Darüber, wie einfach es heutzutage ist, jemanden zu verfolgen und die Spuren zu verwischen. Der Mann packt mir meine Tüte voll und ich merke, wie meine andere Tüte in meiner Hand ihn umso nervöser macht. Seine Bewegungen sind schnell und unkontrolliert und sein Kopf bestimmt so voll wie deiner, wenn du an mich denkst und an all die Dinge, die du mit mir anstellen willst. Ich gebe viel zu viel Geld in diesem Laden aus und als ich in meinen vermeintlich sicheren vier Wänden ankomme, fühle ich mich erschöpft und ausgelaugt.
Es sind noch so viele Dinge zu erledigen, doch du raubst mir mit deiner Anwesenheit sämtliche Energie, die ich brauche, um zu tun, was du unlängst erledigt hast. Dennoch raufe ich mich auf und installiere die kleinen Kameras in den Ecken und Kanten meiner Wohnung. Vielleicht beobachten wir uns nun bald gegenseitig und irgendwie bilde ich mir ein, dass dir diese Vorstellung gefällt und dich sogar ein wenig anmacht. Ob du in diesem Moment vor deinem Rechner sitzt und dir vorfreudig ins Fäustchen lachst, während deine andere Hand ganz andere Dinge macht? Verpasst dir das einen nie dagewesenen Kick?
Ist es das, was dich an mir reizt?
Wenig später wasche ich meine neuen Höschen und die dazu passenden Oberteile am Waschbecken aus und hänge die zarten Teile über die Heizung. Ein Blick zur Dusche und die Verlockung ist groß, mich darunter zu stellen und all die Eindrücke des Tages von mir herunter zu spülen. Stattdessen treibt mich die Neugier zu weiteren Schandtaten. Es kostet mich nur einen einzigen Anruf und wenn du mitgehört hast, weißt du, was uns beide bald erwarten wird. Bist du genauso aufgeregt wie ich oder reisst du dir vor Wut deine schönen, blonden Haare einzeln aus?