Morbides Verlangen 19

Morbides Verlangen 24. Juli 2023

Warnung:

Wir erinnern uns daran, dass dies nur eine fiktive Geschichte ist. Der Inhalt soll schockieren, abschrecken und Angst auslösen.  Das Leben ist kostbar. Das Leben ist ein Geschenk und man sollte andere so behandeln, wie man selbst gerne behandelt werden möchte. Mit Respekt, Liebe und Verständnis. Solltest du dunkle Gedanken haben, die dich drohen einzunehmen, dann suche dir bitte Hilfe. Es gibt immer eine helfende Hand, man muss danach nur greifen wollen.

Achtung Triggerwarnung, enthält sensible Themen wie Depressionen/Selbstmord und erotische Inhalte, FSK +18

In meiner Wohnung angekommen, wird mir erst das volle Ausmaß meines kleinen Abenteuers mit 666 bewusst. Hatte ich tatsächlich gerade ohne nachzudenken Sex mit einem völlig Fremden, der es nicht einmal für nötig empfunden hat, ein Wort mit mir zu wechseln? Und dann auch noch ohne Verhütung? Bin ich von allen guten Geistern verlassen? Immerhin hat dieser Heggins dafür gesorgt, dass ich zumindest den Nachnamen von 666 kenne. Herr Roth und da ‘Herr Roth’ seine Wäsche hier im Haus wäscht, ist naheliegend, dass er hier auch eine Wohnung haben muss. Warum sonst sollte Heggins den Typen kennen. Was sucht der Hausmeister überhaupt um diese Uhrzeit in der Waschküche? Ich schiele zur Uhr, die in der Küche hängt. Mir bleibt nur noch eine Stunde bis ich im Bett liegen sollte. Obwohl ich nicht davon ausgehe, dass Nachtwolf  wirklich Punkt 22 Uhr durch meine Tür hereinspaziert. Vorausgesetzt, er kreuzt überhaupt auf. Ein Blick auf mein Handy verrät mir, dass - oh Überraschung - bisher eine Reaktion von ihm auf mein Angebot ausgeblieben ist.

Was soll ich jetzt tun? Duschen? Duschen ist eine gute Idee. Duschen klingt vernünftig. Vielleicht hilft mir das, einen freien Kopf zu kriegen und mich weniger dreckig und schmutzig zu fühlen. Obwohl 666 keine Schuld trifft. Schließlich habe ich ihn überfallen und nicht andersrum. Verdammt, der muss mich auch für eine Verrückte halten. Wenn man bedenkt, dass 666 diese Nacht erst verprügelt und dann auch noch von mir sexuell belästigt und ausgenutzt worden ist, ist seine Reaktion schnellstmöglich das Weite zu Suchen eigentlich ziemlich nachvollziehbar. Ich hätte es wohl genauso gemacht. Trotzdem stört mich, wie unser Stell-dich-ein es ausgegangen ist. Er hätte mir wenigstens seine Nummer geben können, damit ich fragen kann, ob er irgendwelche Krankheiten hat, von denen ich wissen sollte. Ich meine,.. so etwas ist doch schon wichtig, oder? “Eigentlich vögelt man auch nicht ohne Gummi rum, schon gar keine Kerle, die man gar nicht kennt”, meldet sich die miesepetrige Stimme aus dem Off. Ich weiss. Mache ich normalerweise auch nicht. Das war eine Kurzschlussreaktion. Meine Libido ist durchgedreht. Sie ist die Übeltäterin! Sie hat mich dazu verleitet, diesen blöden Mistkerl zu…. muss ich diesen kleinen Aussetzer eigentlich Nachtwolf beichten?

Unweigerlich stelle ich mir vor, wie Nachtwolf durch die Tür kommt, sich zu mir ins Bett legt und ehe er überhaupt irgendwas machen kann, ich ihn mit einem “Hey übrigens, ich habe vorhin so einen Typen in der Waschküche gevögelt, ohne Gummi, ich hoffe, das stört dich nicht, aber sonst bin ich ganz normal und so” begrüsse. Vielleicht sollte ich das lieber lassen. Schließlich hat Nachtwolf auch mehr als genug Geheimnisse vor mir. Es ist nur fair, wenn ich auch welche habe. Auch wenn mein verprügeltes und düsteres “Geheimnis” so aussieht, als wäre es für einen “Fick” kurz aus der Hölle gekrochen, um direkt danach darin wieder zu verschwinden.

Offenbar stehe ich auf Männer, von denen ich überhaupt nichts weiss. Gut, überhaupt nichts trifft auf Nachtwolf nicht ganz zu. Ich kenne immerhin eine Adresse und die Inneneinrichtung seines Schlafzimmers. Das ist doch schon mal ein Anfang. Sollte ich jemals Kinder mit 666 oder Nachtwolf haben, sollte die Kennenlerngeschichte etwas ausgeschmückt und am Besten abgeändert werden. Zum Schutz aller Beteiligten. Nicht, dass ich jemals Kinder haben wollen würde. Und tata - da ist es wieder, dieses nagende, schlechte Gefühl, das auf meiner Schulter sitzt und mich beinahe irre macht. Was ist, wenn etwas passiert ist? 666 war in mir drin, ohne Kondom, und ja, garantiert ist er nicht gekommen, aber bei meinem Glück hat sich nun bestimmt der Antichrist höchstpersönlich in meine Eierstöcke eingenistet und in neun Monaten wird die Welt untergehen und das nur, weil ich untervögelte Kuh unbedingt kopflos über diesen dämlichen 666-Typen herfallen musste. Sorry Welt, tut mir echt leid. Wäre es jetzt schlau, fünfmal Ave Maria zu beten, um Schlimmeres zu verhindern?

Ich kaue nervös auf meiner Unterlippe herum, während ich auf meinem Handy nach einer geöffneten Notfallapotheke suche. Großartig, die ist natürlich auf der anderen Stadtseite und die einzige Möglichkeit, um diese Uhrzeit noch dorthin zu kommen, wäre ein Taxi zu bestellen. Die ganze Aktion würde mich einiges an Zeit kosten und in der Zeit könnte Nachtwolf vor meinem Bett stehen und sich fragen, wo ich zur Hölle bin. Wahrscheinlich würde er denken, dass ich ihn verarscht habe und sich dann gar nicht mehr bei mir melden. Aus einem mir unerklärlichen Grund tut der Gedanke in meiner Brust weh. Ungefähr da, wo aktuell mein Herz wie wild herum pocht, weil ich so verdammt hibbelig bin.

Mit zittrigen Fingern lege ich das Handy erstmal zur Seite und hüpfe unter die Dusche. Ungefähr eine Viertelstunde später hänge ich abermals am Handy. Immer noch keine Nachricht von Nachtwolf. Eventuell würde mir ein Abstecher ins Forum Grau gut tun. Mal kurz mit Ikarus90 über die positiven Seiten eines Selbstmords philosophieren. Stattdessen erwische ich mich dabei, wie ich im Pyjama vor dem Lift stehe und den Knopf nach unten drücke. In der ersten Etage steige ich aus und laufe die Wohnungen Nr. 1, 2, 3 und 4 ab. Auf keinem der Türschilder entdecke ich den Namen “Roth”.

Ich nehme die Treppe, um in die zweite Etage zu gelangen und stolpere beinahe über den Türvorleger von Frau Utan. Mit ihr habe ich sogar schon mal ein paar Worte gewechselt. Eine nette Frau in den Fünfzigern, die irgendwie immer nach einer Mischung aus frisch gemahlenem Kaffee und Basilikum duftet. Wahrscheinlich, zumindest nehme ich das an, ist sie eine hervorragende Köchin. Sie sorgt jedenfalls dafür, dass es im Wohnhaus abends immer nach leckerem Essen duftet. Was mir natürlich nur dann auffällt, wenn ich die Treppe statt den Lift nehme, was alle Jubeljahre der Fall ist, weil ich ein faules Stück Scheisse bin.

Auf der zweiten Etage fange ich mit Wohnung Nr. 5 an, die Heggins gehört. Ich mache einen weiten Bogen um Wohnung Nr. 5 und lande vor Nr. 6, die, was für ein Zufall, einem Dr. Isaac Roth gehört. Ich muss lachen. Also wie ein Doktor hat 666 definitiv nicht ausgesehen. Aber der Nachname passt. Und die Hausnummer irgendwie auch. Jedenfalls ist jetzt auch klar, warum Heggins diesen Herr Roth kennt. Sie wohnen Tür an Tür. Darum beneide ich 666 ja so gar nicht. Ehe ich auf die Klingel drücke, beschleicht mich ein schlechtes Gewissen. Was ist, wenn Isaac verheiratet ist oder in einer Beziehung steckt, und ich mit meinem Auftritt für mehr Unruhe sorge, als es die Sache wert ist? Oder 666 ist gar nicht dieser Dr. Isaac Roth und bei Isaac handelt es sich lediglich um den Vater von 666. Zu meiner Verteidigung - es ist anhand eines blutig geschlagenen Gesichts verdammt schwer abzuschätzen, wie alt jemand ist.

Die Tatsache, dass Herr Roth, sei es denn wirklich 666, hinter dieser Tür einen Doktortitel besitzt, zwick mich mal einer in den Arm, lässt mich ein bisschen Mut schöpfen, dass ich mir über mögliche Krankheiten, die ich mir bei dem kleinen Stell-Dich-Ein eingefangen haben könnte, weniger Gedanken machen muss, als ich aktuell tue. Männer mit Doktortitel sind bestimmt gewissenhaft. Oder?

Als ich auf die Türklingel drücke, bricht in meinem Körper ein Tornado aus, der sämtliche Organe aufwirbelt und wild in meinem Leib herum schleudert. Ja, genau so fühlt es sich so an. Alles in mir zieht sich zusammen und würde sich in diesem Moment aus mir total unerklärlichen Gründen ein Wurmloch hinter mir auftun, ich wäre verdammt nochmal hineingesprungen, einfach so, um dieser miserablen Lage irgendwie zu entfliehen. Hey, vielleicht hat Dr. Roth per Zufall eine Antibabypille in seinem Medikamentenschränkchen herumfliegen. Für den Fall der Fälle. Falls wieder einmal so eine bescheuerte Tussi auf seinem Schwanz ausrutscht. Oops. Sorry. Kann mal passieren. Gott, Em, warum machst du dich selbst so verrückt?

Mein Herz bleibt stehen, als die Klinke herunter gedrückt wird und ein kleines Mädchen verschlafen in der Türspalte auftaucht. Ach du Scheisse. Das Worst-Case-Scenario ist gerade eingetreten. Emily, du hast es echt drauf, wenn es darum geht, anderen das Leben auf ganzer Spur zu vermiesen. Ikarus90 hatte recht. Ohne mich wäre absolut jeder besser dran.

“Ja?”

Das Mädchen sieht fragend zu mir hoch und reibt sich dabei mit der geballten Hand über die müden Lider, um den restlichen Schlafsand aus den Augen zu befördern. Gott, Das Kind ist so süß, dass es mir noch mehr leid tut, ihren Papa in der Waschküche zu sexuellen Handlungen genötigt zu haben. Am liebsten hätte ich ihr das auf der Stelle gesagt, aber mein gesunder Menschenverstand rät mir in letzter Sekunde davon ab. Also zwinge ich mich, irgendeine blöde Notlüge zusammen zu stammeln, um dem Kind die bitterböse  Wahrheit zu ersparen. Denn wenn es ein Kind gibt, ist eine Ehefrau meistens nicht weit entfernt. Oder?

“Ehm… Hallo… ich wollte einen Kuchen backen und fragen, ob dein Papa vielleicht ein paar Eier für mich hat?”

‘Eier!?!’, posaunt eine empörte Stimme in meinem Kopf. ‘Wirklich Eier? Die hattest du heute doch schon, wie wäre es stattdessen mit Zucker oder Mehl gewesen?’

“Eier?”, wiederholt nun auch das Mädchen schläfrig und gähnt lieblich. Dabei rutscht ihr eine dunkle Haarsträhne in den Mund, die sie sogleich wieder herausfischt, sie sich hinter die Ohren schiebt und danach die feuchte Wange mit dem Handrücken trocknet.

Ich nicke und setze ein freundliches Lächeln auf. Das Mädchen erwidert das Lächeln, dabei fällt mir auf, dass ihr ein Schneidezahn fehlt, was total niedlich aussieht.

“Papa? Da steht eine Frau vor der Tür, die will Eier haben!”, brüllt das Mädchen in den Hausflur und zaubert mir eine nie dagewesene (Intensität 10’000, Weltrekord-verdächtig) Schamesröte ins Gesicht. Ich versuche mir derweil verzweifelt, nichts anmerken zu lassen. Bin mir aber beinahe sicher, dass es mir alles andere als gelingt. Das Geräusch einer Tür ist zu hören, dann Schritte und wenig später sehe ich ihn. 666 alias Isaac Roth, der Mann mit dem Doktortitel. Sein Gesicht ist frisch gewaschen, die Nase mit einem Pflaster verarztet. Auch auf dem Kinn und über der linken Augenbraue klebt ein Pflaster mit Smiley-Aufdruck, für das Motiv ist bestimmt seine Tochter verantwortlich. 666’s Lippe ist etwas geschwollen. Trotzdem sieht er auf eine ganz eigene Art und Weise gut aus. Mein Teenager-Ich wäre ihm bestimmt sofort verfallen. Mein etwas erwachseneres Ich wünscht sich immer noch das Wurmloch herbei, um schleunigst darin zu verschwinden.

“Du schon wieder”, sind seine ersten Worte an mich und seine Stimme ist so angenehm, dass ich überhaupt nicht verstehe, warum er vorher kein Wort gesprochen hat. Reden kann er ja offensichtlich.

Ich ringe mich zu einem schüchternen “Hi” durch und hasse mich so unendlich, dass ich diesen Mann mit Kind und Doktortitel in diese verzwickte und üble Lage gebracht habe.

“Emily, geh bitte wieder schlafen”, 666 streichelt seiner Tochter über ihre zerzausten Haare und hätte er sie in diesem Augenblick nicht mit meinem Namen angesprochen, wäre mein Herz bestimmt dahingeschmolzen. Aber so wie die Dinge aktuell stehen, habe ich das Gefühl, gleich in Einzelteile zu zerspringen. Seine Tochter hat denselben Namen wie ich. Das Schicksal meint es definitiv nicht gut mit mir.

“Kennst du die Frau?”, fragt die kleine Emily ihren Papa und zeigt mit ihrem Finger dabei beinahe schon anklagend auf mich.

“Irgendwie schon”, erwidert Isaac mit einem schiefen Lächeln im Gesicht, geht in die Knie, schlingt die Arme um seine Tochter und hebt sie hoch. Wie ein Äffchen klammert sie sich an ihn und schmiegt ihren Kopf auf seine Schulter.

“Bin gleich zurück”, sagt der Mann an mich gewandt und verschwindet mit seiner Tochter auf den Armen im dunklen Hausflur. Das wäre die Gelegenheit, um abzuhauen, aber ich bleibe wie angewurzelt stehen. Ein paar Minuten später steht Isaac wieder vor mir. Schwarzes T-Shirt und dazu eine schwarze Jogginghose. Keine Risse, kein Dreck.

“Du willst also Eier?”, fragt er unverblümt und zieht dabei neckisch eine Augenbraue in die Höhe. Scheisse, hör auf so attraktiv zu sein. Ich fühle mich ohnehin schon furchtbar, dass ich mit dir…

“Bist du verheiratet?”, platzt es aus mir heraus. Kaum haben die Worte meinen Mund verlassen, hätte ich mich für sie ohrfeigen können. Isaac schüttelt lediglich mit dem Kopf. Seine eisblauen Augen blicken direkt in meine und verwandeln meine Knie in Brei. Augenblicklich muss ich daran denken, wie gut sich dieser Mann vor mir in mir angefühlt hat und wie gerne ich das, was wir angefangen haben, zu Ende bringen würde. Gleich jetzt, hier direkt auf dem Boden. Wäre da nicht diese Stimme, die unaufhörlich “Er hat ein Kind, er hat ein Kind, er hat ein Kind” lauthals in meinem Kopf herum plärrt.

Ich zwinge mich, den Blick von diesen blauen Augen zu lösen und wandere eine Etage tiefer zu der Stelle, auf der die drei unheilvollen 666 tätowiert sind. Diese werden aber von dem schwarzen Stoff des T-Shirts verdeckt.

“Tut mir leid, dass ich dich vorhin so überfallen habe und jetzt schon wieder überfalle”, beginne ich kleinlaut und vermassele es direkt mit einer weiteren Frage, die mir auf der Zunge liegt und ohne Erlaubnis meine Lippen verlässt. “Bist du wirklich Arzt?”

Bin ich bescheuert? ‘Ja, das bist du’, meldet sich sogleich die Stimme in meinem Kopf und legt dafür extra eine kurze Pause mit der "Herumbrüllerei" ein.

Isaacs Mundwinkel huschen amüsiert nach oben.

“Psychotherapeut”, antwortet er knapp und verschränkt die Arme vor seiner Brust. Wie passend, denke ich und mustere den Mann abermals. Er sieht so gar nicht aus, wie ich mir einen Psychotherapeuten vorstelle, aber wenn er Sex als eine Form der Therapie anbietet, will ich einen Termin. Gott, ich sollte dringend aufhören, diesen Kerl so unverschämt anzuschmachten und zum Punkt kommen.

“Hör zu, ich weiss nicht, was da vorhin in mich gefahren ist. Aber wir hatten ungeschützten Geschlechtsverkehr und ich wollte fragen, ob du mich kurz zur Notfallapotheke fahren könntest. Also falls du ein Auto hast. Und hast du vielleicht irgendwelche Krankheiten, von denen ich wissen sollte?”

Meine Wangen glühen förmlich, aber egal wie peinlich meine Ansage war, stolz bin ich trotzdem, dass ich es geschafft habe, mein Anliegen laut und ohne zu stottern auszusprechen. Eigentlich verdiene ich dafür schon fast einen Orden und einen Eintrag in das Erwachsen-sein-für Anfänger-Register. Vielleicht bin ich doch nicht so verloren, wie ich gedacht habe. Erwartungsvoll sehe ich Isaac, den Psychotherapeuten, an.

“Warte kurz”, erwidert er gelassen und verschwindet abermals im dunklen Hausflur. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und schaue ihm nach, kann aber kaum etwas erkennen. Erst als der Mann das Licht in einem anderen Zimmer anschaltet, kann ich durch den Lichtkegel, der in den Flur fällt, einen Blick auf die Garderobe erhaschen, an der ein gelber Kinder-Regenmantel hängt und etwas langes Schwarzes daneben. Wahrscheinlich auch ein Mantel. Auf dem Fußboden entdecke ich 666’s Springerstiefel und ein paar Ballerinas, die, der Größe nach zu urteilen, vermutlich seiner Tochter gehören. Falls Isaac eine Freundin hat, scheint sie woanders zu wohnen oder keine Schuhe zu besitzen. Was lächerlich ist.

Als Isaac zurückkommt, hält er eine weiße Schachtel in der Hand. Er reicht sie mir. Eine Packung Antibabypillen. Überrascht nehme ich die Packung entgegen. Passiert ihm so ein Ausrutscher öfters oder haben Menschen mit Doktortitel wirklich auf alle möglichen Substanzen ungehindert Zugriff? Wobei… vielleicht ist es einfach praktisch, Antibabypillen auf Vorrat zu Hause zu bunkern. Günstiger als 18 Jahre für ein Kind aufzukommen, das man gar nicht zeugen wollte. Unweigerlich muss ich an die kleine Emily denken und verteufle mich dafür, dass ich überhaupt auf den Gedanken komme, ob sie wohl einer dieser ‘Unfälle’ ist.

“Danke”, sage ich und tippe mit einem Finger auf die Packung..

“Und keine Krankheiten”, ergänzt Isaac mit einem Schulterzucken. Er ist wirklich kein Mann, der großartig Reden schwingt. Ich nicke und bin mit meinem Latein am Ende. Und nun? Einfach gehen? Auf Nimmerwiedersehen?

“Ähm…”, starte ich verlegen und starre zwischen Packung und den eisblauen Augen hin und her. “Dann nehme ich die mal”, kläre ich den Mann auf und komme mir dabei so dumm vor. Besonders weil ich ihn wirklich gerne noch gefragt hätte, ob er eine Freundin hat. Stattdessen drehe ich mich zum Gehen um, komme aber nicht weit, weil 666 mich am Arm festhält. Prompt malt sich mein Kopf eine wilde Hollywood-verdächtige Knutschszene aus, die darin endet, dass 666 mich im Hausflur gegen die Wand drückt und so fickt, wie er es in der Waschküche bereits getan hat. Voller Vorfreude drehe ich mich zu Isaac um, will schon meine Augen schließen und…

“Beipackzettel unbedingt lesen, die Nebenwirkungen sind nicht ohne.”

… werde bitter enttäuscht.

“Okay”, erwidere ich nüchtern. “Mache ich.”

Ein Nicken seinerseits, dann schließt sich die Haustür.

Auf dem Boden der Tatsachen angelangt, mache ich mich entrüstet auf den Weg zurück zu meiner eigenen Wohnung. Es hätte mir spätestens schon klar werden sollen, wie wenig Interesse von 666’s Seite aus besteht, als er sich nicht mal nach meinem Namen erkundigt hat. Scheisse, das ist so peinlich. Die Welt ist wirklich besser ohne mich dran. Immerhin reiße ich nun, ausgerüstet mit Antibabypille, kein Kind mit mir in den Abgrund, wenn ich mein Leben, erbärmlich wie es ist, doch noch beenden sollte.

In meinem eigenen Hausflur angekommen, werfe ich einen Blick auf mein Handy. Keine neuen Nachrichten von Nachtwolf und es ist bereits 22:15 Uhr. Wo ist die verdammte Zeit geblieben? Seufzend schlurfe ich in Richtung Küche und als ich am Tisch vorbeilaufe, fällt mir was Kleines, Schwarzes ins Auge. Neugierig inspiziere ich das kleine Figürchen. Es handelt sich um einen Wolf, der den Mond anheult und ich habe ihn definitiv nicht dorthin gestellt.

Tags