Morbides Verlangen 5

Morbides Verlangen 9. Sep. 2022

Warnung:

Wir erinnern uns daran, dass dies nur eine fiktive Geschichte ist. Der Inhalt soll schockieren, abschrecken und Angst auslösen.  Das Leben ist kostbar. Das Leben ist ein Geschenk und man sollte andere so behandeln, wie man selbst gerne behandelt werden möchte. Mit Respekt, Liebe und Verständnis. Solltest du dunkle Gedanken haben, die dich drohen einzunehmen, dann suche dir bitte Hilfe. Es gibt immer eine helfende Hand, man muss danach nur greifen wollen.

Achtung Triggerwarnung, enthält sensible Themen wie Depressionen/Selbstmord und erotische Inhalte, FSK +18

Ungeduldig rutsche ich auf meinem Bürostuhl herum und warte auf Nachtwolfs Antwort, für die er sich reichlich Zeit lässt. Bereits fünf Minuten sind verstrichen und kein Lebenszeichen von ihm. Für einen kurzen Moment spiele ich mit dem Gedanken, doch einen Blick in mein eigenes Video zu werfen, nur um sicher zu gehen, dass es nicht so peinlich geworden ist, wie ich befürchte. Ganze sechs Minuten ist der Clip lang, dabei ist es mir gar nicht so lange vorgekommen. Das heißt, der Mann müsste es sich bald zu Ende angesehen haben und wenn dann keine Antwort von ihm folgt, hat ihm mein kleiner Porno wohl definitiv nicht gefallen. Gott, warum ist mir das nicht einfach egal? Ich kenne den Idioten doch gar nicht. Spielt doch keine Rolle, ob’s ihm gefällt oder nicht. Ach Mist, schreib einfach. Bitte. Nachtwolf, lass mich nicht im Stich.

Nachtwolf: Blond also ;) Vielen Dank, Schatten. Gute Nacht.

User Nachtwolf has left the room.

Wie bitte? Er geht einfach? Das kann er doch nicht machen?! Okay. Ich spüre, wie mir die Kinnlade offen steht. Der Kerl ist gegangen. Einfach so. Wow. Ungefähr so muss es sich anfühlen, wenn man ziemlich hart verarscht und ausgenutzt worden ist. Der Kloß in meinem Hals ist so riesig und würde es sich bei dem Ding um einen Tumor handeln, hätte mich seine Größe garantiert auf der Stelle umgebracht. Da ich genau das gemacht habe, was Nachtwolf von mir verlangt hat, ist die einzige Erklärung für seinen miesen Abgang wohl die, dass es ihm nicht gefallen hat oder er mich gänzlich unattraktiv findet. Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem. Ich schlucke und lösche das dämliche Porno-Video von mir sofort von meinem Handy. Ob ich seins auch löschen soll? Vielleicht. Am liebsten hätte ich es gelöscht, aber der Gedanke, dass er mich eventuell mit meinem Video erpressen könnte, lässt mich kurz innehalten. Zur Sicherheit sollte ich es behalten. Aber ich hasse den Kerl. Moment mal. Tue ich das wirklich? Ihn hassen, weil er einfach gegangen ist? Nein. Oder doch. So irgendwie jedenfalls. Okay. Nein, ich bin einfach nur enttäuscht, auch wenn ich gerne etwas anderes behaupten würde. Nachtwolf, du bist ein Vollidiot. Ich hoffe, dir ist das bewusst!

Als der Computer ausgeschaltet ist und ich im Bett liege, lösche ich sein Video trotz Bedenken doch noch von meinem Handy und ignoriere die leise Stimme in meinem Kopf, die mich mahnt, es nicht zu tun. Macht aber ohnehin keinen Unterschied. Selbst wenn Nachtwolf mich mit meinem Video erpressen sollte, kann es mir schlussendlich egal sein. Schließlich habe ich eine Anleitung für einen schmerzfreien und effizienten Tablettencocktail gefunden und somit auch eine Lösung für absolut jedes Problem. Dem Internet sei Dank.

Montag.

Ein absolut furchtbarer Montagmorgen. Total übermüdet schäle ich mich unter der Bettdecke hervor und verfluche das Leben und den bescheuerten Nachtwolf mit den schönen Lippen. Und als ich an meinem Schreibtisch vorbeilaufe und mein Blick auf den kleinen Löffel fällt, hätte ich am liebsten vor Ekel auf den Boden gekotzt. Etwas Positives hat der Brechreiz, Frühstück fällt somit erstmal aus und dadurch habe ich mehr Zeit, das Schamgefühl, das von gestern Nacht immer noch an mir haftet, ausgiebig abzuduschen. Passend zu meiner düsteren Montags-Stimmung ziehe ich mir ein schwarzes, knielanges Kleid an, dazu ein paar Strumpfhosen in derselben Farbe und wäre ich im Besitz eines Haarfärbemittels gewesen, hätte ich meine Haare aus Trotz auch noch schwarz gefärbt. „Blond also – Zwinkersmiley“, äffe ich Nachtidiot nach und fahre meinen imaginären Mittelfinger aus. Fick dich mit deinem blond also! Auf Makeup verzichte ich heute komplett. Wofür soll ich mich denn schminken? Für meinen Arbeitgeber? Für meine Arbeitskollegen? Für all die mies gelaunten Passanten, die an einem vorbei hetzen, während man selbst auf den Bus hetzt? Garantiert nicht. Etwas träge schlüpfe ich in meine Stiefel und verlasse ungekämmt und mit Augenringen im Gesicht meine Wohnung. Fehlt nur noch der Besen und ich könnte glatt als Hexe durchgehen. Bibi, die kleine Hexe. Bibi, die kleine Hexe macht es sich mit dem Löffel. Nein warte. Bibi, die kleine Hexe blamiert sich mit dem Löffel. Wie gut, dass ich nicht Bibi heiße und keine Hexe bin, sonst hätte ich mit einem verdammten Hex Hex die gottverdammte Welt angezündet und das Universum gleich mit in die Luft gesprengt.

Bei der Arbeit angekommen, steht bereits ein dampfender Kaffee auf meinem Schreibtisch. Direkt daneben ragt Georg in die Höhe, der in seinem maßgeschneiderten Anzug und mit seinem perfekt gestylten Haar wieder einmal blendend aussieht. Trotzdem löst sein makelloser und frischer Anblick automatisch wieder Brechreiz in mir aus. Wie kann man an einem Montagmorgen so gut, motiviert und geschäftig aussehen? Und das breite, zufriedene Lächeln in seinem Gesicht gibt mir den Rest.

Wie jeden Morgen begrüßt mich Georg viel zu überschwänglich und so gut gelaunt, dass ich ernsthafte Zweifel hege, ob er sich nicht doch irgendwelche Happy-Pills einwirft, entweder das oder der Mensch muss ein Roboter sein. Anders kann ich mir sowas nicht erklären. Ich knurre meinen Arbeitskollegen kurz an, setze mich auf meinen Stuhl und kippe die braune Brühe lustlos herunter, während Georg die Gelegenheit beim Schopf packt und mich zu quatscht.

Als er endlich fertig ist, mir zu erzählen, wie wahnsinnig aufregend sein Wochenende gewesen sei, nimmt er mir gegenüber an seinen Schreibtisch Platz und ich seufze erstmal erleichtert auf, weil ich diesen Teil des Montags nun schon mal hinter mir habe. Dann wühle ich in meiner Handtasche nach meinen Kopfhörern, starte Spotify und lausche gebannt den düsteren Schreigesängen von Nocturnal Necropsy, die meine Laune perfekt musikalisch untermauern. Ja, ich weiß, eigentlich sollte ich froh über so einen netten Arbeitskollegen sein, der mir jeden Morgen Kaffee bringt und mich trotz meiner miesen Montag-morgen-Verstimmungen ziemlich gut leiden kann. Aber beinahe jeden Tag serviert zu bekommen, wie aufregend und toll das Leben anderer ist, nervt leider auf Dauer. Besonders weil Georg gefühlt jedes Wochenende jemand anderen flachlegt und bei jeder x-beliebigen Frau, die er nagelt, sich vorstellt, wie sie in einem Hochzeitskleid und an seiner Seite aussehen könnte. Er lebt für die Liebe und verliebtsein ist bei ihm sozusagen Dauerzustand, auch wenn diese Verliebtheit nach einer Woche meistens wieder vorbei ist. Natürlich habe ich ihm nichts von meinem gestrigen Malheur mit Herrn Nachtwolf erzählt. Warum auch. Zumindest diese Blamage kann ich mir sparen. Allgemein erzähle ich Georg immer die gleiche Geschichte. Na gut, zwei Varianten von der Geschichte. Entweder habe ich mein Wochenende Serien schauend vor dem Fernseher oder Serien schauend vor dem Rechner verbracht und meine Eltern besucht. Er schmunzelt so gut wie jedes Mal darüber und betitelt mich im Anschluss als kleiner Nerd. Eins muss man Georg aber zu Gute heißen. Wenigstens hält er mir keine Vorträge darüber, dass ich mit Anfang zwanzig mein Leben völlig verschwende und doch mal mehr rausgehen solle. Danke dafür, Georg.

Wie jeden Tag besteht meine Arbeit darin, eine Excel Liste zu bearbeiten und die Erfolge der Firma in Spalten zu übertragen, als plötzlich mein Handy in der Tasche anfängt zu vibrieren. Genervt bücke ich mich zu meiner Handtasche herunter und krame mein Handy hervor. Ein Blick auf den Bildschirm und mein Herz bleibt erstmal stehen. Eine neue Nachricht von Nachtwolf. Wie auf Knopfdruck fängt es zwischen meinen Beinen an zu kribbeln und ich verfluche meinen Körper dafür, dass zumindest er offensichtlich dem blöden Admin aus dem Forum Grau bereits schon verziehen hat und bereit für Nachschub ist. Nein. Aus. Dieser Vollidiot hat uns einfach sitzen lassen. Wir hassen ihn, okay? Aber meinem Körper ist das ziemlich egal. Das Kribbeln wird umso intensiver und mein Kopf verschwört sich ebenfalls gegen mich und zaubert Erinnerungen an die schönen Lippen und das eingesaute Weinglas hervor. Die haben mir gerade noch gefehlt. Na klasse.

Nachtwolf:    Guten Morgen Schatten, du bist dran. Wie kann ich dir dienen? ;)

Mir wäre beinahe das Handy aus der Hand gefallen, als ich die Zeilen lese. Ist das jetzt sein Ernst?

„Alles in Ordnung, Em?“

Ich werfe einen kurzen Blick über meinen Computerbildschirm. Georgs Stielaugen schauen mich fragend an und ich fühle mich ertappt. Ich nicke verhalten, auch wenn nicht alles in Ordnung ist. So ganz und gar nicht in Ordnung.

„Nur meine Mom“, sage ich und winke ab, als Georg Anstalten macht aufzustehen und zu mir herüber zu kommen.

Mein Fokus springt zurück zu der Nachricht auf meinem Handy. Warum lösen die Zeilen von dem langweiligen, mich sitzenlassenden Nachtwolf so eine immense Reaktion aus? Eigentlich bin ich wütend und irgendwie verletzt, aber trotzdem erregt mich auf eine bizarre Art und Weise die Tatsache, dass Nachtwolf unser Spiel weiterspielen will. Und dass er MIR dienen will. Trotzdem…

Schatten: Du bist gestern einfach abgehauen.

Nachtwolf: Keine Lust mehr zu spielen, Naschkatze?

Schatten: Du willst spielen? Okay, spielen wir. Kauf der alten Dame im pinken Jogginganzug einen Blumenstrauß und entschuldige dich dafür, dass du es dir gestern Nacht zu ihr besorgt hast. Ach ja, ich will es hören, deine Entschuldigung.

Nachtwolf: Du bist also böse auf mich, weil ich gestern kurz nach deinem Video gegangen bin.

Schatten: Traust du dich etwa nicht, Nachtwolf? Schade, dann halt eben nicht.

Keine Antwort. Das war’s also. Ja. Er hat Recht. Ich bin ‚böse‘ auf ihn, weil er nach meinem Video einfach so gegangen ist. Aber ich würde es ihm gegenüber niemals zugeben. Kurzerhand lösche ich den blöden Admin aus dem blöden Forum Grau aus meiner Kontaktliste und lege das Handy provokativ neben meine Tastatur. Dann schenke ich dem immer noch glotzenden Georg ein leicht gestresstes Lächeln und widme mich wieder meiner Excel Liste. Ich werde wohl oder übel auch noch mein Profil im Forum Grau löschen müssen. Kein großer Verlust, selbst wenn ich die sinnlosen Streitereien von Rollstuhlfahrer und Froschtanz insgeheim wahrscheinlich vermissen würde. Die waren zumindest unterhaltsam. Vielleicht sollte ich nach der Arbeit einen Abstecher in die Apotheke machen. Das Medizinschränkchen wieder auffüllen. Nur für den Fall der Fälle, man weiß ja nie,…

Eine Stunde später vibriert mein Handy nochmals und meine Finger schnappen so schnell nach dem Telefon, dass man meinen könnte, ich wäre von dem Ding irgendwie abhängig. Oder von Nachtwolf und unserem Spiel. Und auch wenn ich den Mistkerl nicht mehr in meiner Kontaktliste habe, weiss ich mit 90-prozentiger Sicherheit, dass die Nachricht nur von einem sein kann, als ich einen farbigen Blumenstrauß in der Vorschau erspähe.

Nachtwolf: Was meinst du? Würde mir eine Frau verzeihen, dass ich es mir zu ihr besorgt habe, wenn ich ihr diesen tollen Blumenstrauss schenke?

Schatten: Es ist ein ziemlich schöner Blumenstrauss. Mir gefallen vor allem die Lilien.

Nachtwolf: Verzeihst du mir denn?

Schatten: Ich bin nicht die, bei der du dich entschuldigen musst, Wolf.

Nachtwolf: Aber du bist die, zu der ich es mir gestern Nacht besorgt habe.

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