Morbides Verlangen 17

Morbides Verlangen 16. Mai 2023

Warnung:

Wir erinnern uns daran, dass dies nur eine fiktive Geschichte ist. Der Inhalt soll schockieren, abschrecken und Angst auslösen.  Das Leben ist kostbar. Das Leben ist ein Geschenk und man sollte andere so behandeln, wie man selbst gerne behandelt werden möchte. Mit Respekt, Liebe und Verständnis. Solltest du dunkle Gedanken haben, die dich drohen einzunehmen, dann suche dir bitte Hilfe. Es gibt immer eine helfende Hand, man muss danach nur greifen wollen.

Achtung Triggerwarnung, enthält sensible Themen wie Depressionen/Selbstmord und erotische Inhalte, FSK +18

Um mir die Zeit zu vertreiben, tue ich etwas, das ich sonst nie tun würde - ich räume auf. Erstens; weil ich sowieso nichts Besseres zu tun hätte, als im Forum Grau abzuhängen, und zweitens; falls Nachtwolf wirklich erscheinen sollte, will ich mich nicht in Grund und Boden schämen müssen, für die chaotischen Zustände die in meiner Wohnung herrschen. Also ringe ich mich dazu durch, all die sauberen und dreckigen Klamotten aufzusammeln und in meinem Büro in zwei Häufchen aufzuteilen. Das Häufchen mit den dreckigen Klamotten ist dreimal so groß, wie das mit den sauberen und es erschreckt mich, dass ich überhaupt so viele Klamotten besitze, zumal mein Kleiderschrank immer so aussieht, als wäre seine Funktion Kleidung aufzubewahren bei mir völlig überflüssig. Tja, so kann man sich täuschen. Unmotiviert packe ich die dreckige Wäsche in den Waschkorb und räume das saubere Zeug in den Schrank ein, dabei stelle ich fest, dass Kleidung ordentlich falten nicht in mein Spezialgebiet fällt. Als das erledigt ist, manövriere ich mich mitsamt Waschkorb in den Lift und fahre hinunter ins Untergeschoss, wo die Waschmaschinen stehen. In der Erwartung, dass kein Vollidiot um die Uhrzeit mehr Wäsche waschen wird, schwinge ich voller Tatendrang meinen Körper mitsamt Beladung aus dem Lift und öffne mit dem Ellbogen die Tür, die ich zuvor, seit ich hier wohne, vielleicht höchstens fünf mal geöffnet habe, weil ich sonst das, was ich gerade anziehen will, notdürftig in der Badewanne und von Hand wasche. Faul wie ich bin.

Kaum habe ich die Waschküche betreten, erfasst mich ein überraschtes Augenpaar. Auch ich staune nicht schlecht, als ich einen Typen vor einer bereits laufenden Waschmaschine auf dem Boden sitzen sehe, der aussieht, als wäre er ein Mitglied einer Black Metal Band. Die schwarzen Haare sind zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und wirken so gepflegt und gesund wie frisch aus einem Shampoo-Werbespot, passen aber so gar nicht zum Rest des Typen. Der sieht nämlich aus, als hätte er selbst einen Waschgang nötig. Das schwarze zerrissene Shirt und die gleichfarbige Hose sind von oben bis unten mit Erde und anderen Substanzen, ich will gar nicht wissen, was für welche, besudelt und sein Gesicht wirkt, als hätte es irgendjemanden heute Abend als Boxsack gedient. Die Nase ist vermutlich gebrochen. Mein Blick bleibt an den drei tätowierten schwarzen Sechsen unterhalb des Schlüsselbeins kleben. Seltsam, dass mir der Typ vorher nie über den Weg gelaufen ist. Ehe ich mich beim Anstarren blamiere oder Schlimmeres, stampfe ich mit einem knappen „Hi“ an ihm vorbei auf die freie Waschmaschine zu und stopfe meine Wäsche hinein. Dabei merke ich, dass ich das Waschmittel im Badezimmer oben vergessen habe und hätte mich am liebsten für meine Vergesslichkeit geohrfeigt. Hilfesuchend schaue ich mich in der Waschküche um, in der Hoffnung, dass irgendjemand sein Waschmittel zufälligerweise stehen lassen hat. Was natürlich nicht der Fall ist. Einen Automaten gibt es auch nicht. Na großartig. Unauffällig linse ich zum Heavy-Metal-Typen und entdecke neben seinem rechten Springerstiefel eine Packung Perwoll Extra Black für schwarze Wäsche. Was sonst. ‚Nein, Emily. Du fragst den Typen jetzt nicht, ob du ein bisschen Perwoll von ihm abhaben kannst‘, mahnt mich eine sehr vernünftige Stimme in meinem Kopf, auf die ich hören sollte. Stattdessen übernimmt die Unvernunft das Ruder und steuert meinen Körper geradewegs auf 666 zu.

“Hey du”, starte ich und komme mir dumm vor. Schließlich haben wir das mit der Begrüßung schon hinter uns. Zumindest ich - er scheint eher zu der schweigsamen Sorte Mann zu gehören. Als ich vor ihm stehe, hebt er den Kopf und sieht zu mir hoch. Eisblaue Augen. Automatisch überkommt mich ein Frösteln und ich schlinge instinktiv meine Arme um mich, um mich indirekt vor ihm abzuschirmen. Das ist wohl dieser eingebaute Schutzmechanismus, von dem alle reden oder das unschöne Wort dafür - Vorurteile. Während ich so vor 666 stehe und mir überlege, ob ich nicht doch mit dem Lift nach oben fahren soll, bahnt sich ein Rinnsal an Blut von seiner Nase zu seinem Mund hinunter, an seinem Kinn angekommen, verabschiedet sich die rote Flüssigkeit mit einem selbstmörderischen Sprung in den Schoss von dem Mann.

“Ich habe mein Waschmittel vergessen, kann ich mir deins ausleihen?”, frage ich und kämpfe gegen den inneren Impuls, schnell wegzurennen, wie eine Löwin an. 666’ s Gesicht verzieht sich kaum merklich, aber sein linkes Bein winkelt sich an. Entweder steht er gleich auf und macht sich davon oder er verpasst mir eine Abreibung, weil ich es gewagt habe, ihn überhaupt anzusprechen. Weder Option eins noch Option zwei treffen ein. Mit dem Springerstiefel befördert er Perwoll Extra Black träge in meine Richtung. Als das Waschmittel mittig zwischen uns steht, bücke ich mich, als nichts von ihm kommt, runter und hebe es auf.

“Danke”, murmle ich leise, immer noch unsicher, ob ich die stille Botschaft richtig interpretiert habe. Aber da keine Einwände kommen, als ich mit dem Perwoll Extra Black davon düse und einen Deckel davon in meine Waschmaschine einfülle, lässt das ungute Gefühl in meiner Brust allmählich etwas nach. Ich drücke laienhaft ein paar Knöpfe auf der Waschmaschine und muss feststellen, dass ich absolut keine Ahnung habe, wie das Ding funktioniert, obwohl ich es schon ein paar Mal benutzt habe. Das Piepen ist so unangenehm laut in der Stille, dass ich befürchte mein Trommelfell mit meinem wild-irgendwelche-Knöpfchen-Drücken irreparabel zu schädigen. Bevor ich vor Peinlichkeit gleich anfange, im Boden zu versinken oder mein eigenes Grab zu schaufeln, beschließe ich Doktor Google um Rat zu fragen, doch als ich nach meinem Handy greifen will, stelle ich fest, dass dieses gerade mit meinem Waschmittel oben in meiner Wohnung eine Party feiert. Mist. Aber 666 um Hilfe zu bitten, kommt nicht in die Tüte. Es muss auch so gehen. Komm schon Em, so schwer kann das doch nicht sein. Also nochmal von vorne. Vielleicht muss ich erst die Temperatur einstellen. Ich malträtiere das schrille Knöpfchen mit der Gradanzeige mit meinem Finger. Eine 40 wird auf der kleinen Bildschirmanzeige über dem Drehrad angezeigt. 40 klingt eigentlich ganz gut. Ich warte einen kurzen Augenblick in der Hoffnung, dass die Waschmaschine einfach losgeht. Aber sie weigert sich vehement. Scheißding. Ich inspiziere nochmal alle Knöpfchen und suche nach einem, das aussieht wie ein Startknöpfchen. Bei den meisten sind die Symbole abgekratzt oder so ausgebleicht, dass man nur noch erahnen kann, was sie ursprünglich, vor wahrscheinlich vielen Jahren einmal, dargestellt haben.

Ich zucke zusammen, als ich eine schwere Hand auf meiner Schulter spüre. Es ist die von 666 und verdammt, ist der Typ riesig. Als er sich über mich lehnt und um das richtige Knöpfchen zu drücken, komme ich ihm gerade mal bis zur Brust. Zufrieden beginnt die Maschine vor sich hin zu gluckern und mit dem Waschvorgang loszulegen. Verräterisches Scheiß-Ding. Ich merke erst, dass ich die Luft angehalten habe, als sie mir ausgeht und ich gierig danach schnappen muss, was in einem unangenehmen Hustenanfall endet. Wie peinlich. 666, ganz der Gentleman - oder einfach nicht sonderlich zum Schwatzen aufgelegt, zieht sich kommentarlos zurück. Ich drehe mich, sobald der Mann genug Entfernung zwischen uns gebracht hat, zu ihm um.

“Danke”, keuche ich, wohlwissend, dass ich im Moment die Ausstrahlung einer roten Ampel habe.

“Ich wasche sonst immer von Hand”, erkläre ich unbeholfen, als würde das mein behindertes Verhalten irgendwie entschuldigen.

666 setzt sich wieder vor seine Waschmaschine auf den Boden und winkt ab. Okay. Nicht in der Stimmung für ein Kaffeekränzchen. Schon verstanden. Ich werfe einen letzten Blick auf die Bildschirmanzeige, um zu prüfen, wann ich meine Wäsche abholen kann und mache mich dann mit einem "Tschüss", gefolgt von einem “Und nochmals danke” aus dem Staub.

Im Lift angekommen, komme ich mir unglaublich blöd vor. “Bei dem Typen hast du dich total blamiert, Em”, sage ich laut zu mir selbst und lehne meinen Kopf an der kalten Metallwand ab. Seufzend starre ich auf die vorbeiziehenden Zahlen über der Tür und verzweifle an dem Durcheinander in meinem Kopf. Während ein großer Teil von mir hofft, diesen Typen nie mehr zu begegnen, fährt meine Libido in diesem Moment einen ganz eigenen Film. Einen, in dem ich mit dem Lift wieder runterfahre, mich auf den verprügelten und blutenden Heavy-Metal-Typen setze, den Reißverschluss seiner Hose öffne und mich auf eine andere Art und Weise für seine Hilfe bedanke. Und ich weiß verdammt nochmal nicht, warum ich nun ausgerechnet wahnsinnig scharf auf den Kerl in der Waschküche bin. Liegt es an seinen schönen Haaren? An dem bösen Tattoo? An seiner blutigen Nase? Was zur Hölle ist nur los mit mir?

Ich beiße mir auf die Unterlippe und fixiere das Bedienfeld des Lifts mit meinen Augen. ‘Egal wie verlockend der kleine Porno in deinem Kopf ist, tu es nicht Emily, du wirst es bereuen”, meldet sich die Vernunft zu Wort und legt mit einem “außerdem würde der Typ niemals mitmachen” nach. Ich weiß, dass sie recht hat und ich auf die Spaßbremse hören sollte, trotzdem sieht der UG-Knopf aktuell so verführerisch aus. Als würde er nach mir rufen. Nach mir verlangen und mich bunten Konfetti und gegrillten Marshmallows belohnen, wenn ich doch nur einen Finger auf ihn legen würde.

Und was ist mit Nachtwolf, dem langweiligen Admin aus dem noch langweiligen Forum mit dem langweiligen Namen Grau? Ob er wirklich vorbeikommt und sich zu mir ins Bett legt? Wie gut stehen die Chancen? Unterirdisch. Schließlich hat er sich nicht einmal getraut, sich im Café blicken zu lassen. Verdammte Zwickmühle. Weder Heavy-Metal-Typ noch Nachtwolf sind sichere Optionen und alles in mir lechzt nach einem Abenteuer. Ob Selbstmordgedanken solche Kurzschlüsse einfach auslösen? Bestimmt.

Mit Hummeln im Hintern winke ich meinem gesunden Menschenverstand hinterher, während mein Zeigefinger den UG-Knopf drückt und der Lift nach unten fährt.

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