Morbides Verlangen 16

Morbides Verlangen 16. Mai 2023

Warnung:

Wir erinnern uns daran, dass dies nur eine fiktive Geschichte ist. Der Inhalt soll schockieren, abschrecken und Angst auslösen.  Das Leben ist kostbar. Das Leben ist ein Geschenk und man sollte andere so behandeln, wie man selbst gerne behandelt werden möchte. Mit Respekt, Liebe und Verständnis. Solltest du dunkle Gedanken haben, die dich drohen einzunehmen, dann suche dir bitte Hilfe. Es gibt immer eine helfende Hand, man muss danach nur greifen wollen.

Achtung Triggerwarnung, enthält sensible Themen wie Depressionen/Selbstmord und erotische Inhalte, FSK +18

Ich tupfe mir das Taschentuch ins Gesicht und verfluche mich, die SMS gelesen zu haben. Warum tust du mir das an, Nachtwolf? Ich war so bereit, endlich aufzugeben und dann kommst du um die Ecke und zögerst meinen Abgang unnötig hinaus. Bist du etwa der dritte Finger? Ich bin mir sicher, könntest du meine Gedanken gerade lesen, würdest du die Reißlinie ziehen und dich vor mir in Sicherheit bringen. Ja. Ich führe Selbstgespräche mit dir in meinem Kopf. Hallo, Nachtwolf in meinem Kopf! Ich bin verrückt. Hörst du? Irgendwie total verrückt nach dir. Okay. Genug davon. Ich werde zu dieser Adresse fahren und anziehen, was auch immer mir Nachtwolf ausgesucht hat. Aber ich werde Ikarus’ Angebot nicht ausschlagen. Es muss möglich sein, Spiele mit Nachtwolf zu spielen und gleichzeitig mit Ikarus zusammen in den Abgrund zu fliegen.

Schatten: Später. Ich muss zuerst die Medikamente für die Katze meiner Mum besorgen.

Okay, ja, nicht meine beste Notlüge, wenn man bedenkt, was sie mir mit Georg eingebrockt hat, egal - sie entlockt mir dennoch ein kleines Lächeln, als ich sie in das Chatfenster tippe und Lächeln tut zugegebenermassen ziemlich gut nach der ganzen Rumheulerei.
Ich schließe den Chat mit Ikarus und drehe dem Forum Grau vorerst oder zumindest für den Moment den Rücken zu - dann widme ich mich meinem Kleiderschrank, nur um festzustellen, dass 90% meiner Klamotten in meiner Wohnung verstreut herum liegen. Über der Kommode finde ich einen sauberen Pulli und unter dem Bett eine Jeansshorts sowie ein paar nicht getragene Strumpfhosen. Etwas retro, aber sollte passen.

Nach einer heißen Dusche fühle ich mich um Einiges besser. Ich gebe mir sogar Mühe und nehme den Lockenstab aus der untersten Schublade in meinem Badezimmer heraus, um das wirre Gestrüpp auf meinem Kopf in eine einigermaßen akzeptable Frisur zu verwandeln. Den Lockenstab benutze ich so gut wie nie, aber heute mache ich eine Ausnahme, schließlich ist das, was Nachtwolf und ich haben, sowas wie ein Date, glaube ich. Denke ich. Und ja - eigentlich ist es unklug, meine Wohnung zu verlassen, wenn ich mich bei der Arbeit krank gemeldet habe, aber da ich ohnehin mit einer Kündigung liebäugle, nur um Georg aus dem Weg zu gehen und ihn am Besten nie wieder zu sehen, nehme ich das, mutig wie ich bin, in Kauf. Außerdem brauchen Tote sowieso keinen Job mehr.

Zusätzlich zu den Locken verpasse ich meinen Augen einen schwarzen Lidstrich und meinen Wangen etwas Glanz. Für einen kurzen Augenblick denke ich sogar darüber nach, den roten Lippenstift aus seinem Exil zu holen für die Schneewittchen-Lippen.

Pünktlich eine Stunde später piepst mein Handy. Bei der Adresse, die mir Nachtwolf geschickt hat, handelt es sich um einen Bahnhof. Was Sinn ergibt. Auf Bahnhöfen gibt es schließlich Schließfächer. Ich mache mich auf den Weg und bekomme das Gefühl nicht los, mich auf einer Undercover-Mission zu befinden. Ja, doch, hat irgendwie etwas von James Bond, fehlt nur noch die passende Musik und ein schöner Anzug.
Der Bahnhof ist zwei Zugfahrten von mir entfernt und für die Strecke brauche ich etwas länger als eine Stunde, die ich mit aus dem Fenster starren und zu viel nachdenken verbringe.

Als ich auf Gleis 7 ankomme, muss ich mich durch eine Traube von Menschen kämpfen, die sich wahrscheinlich auf dem Weg zur Arbeit befindet. Eine durchaus ungünstige Zeit für so eine Undercover-Mission, Mister Wolf. Nacht-Wolf. Trotz Kündigungssehnsucht beruhigt es mich ungemein, weit weg von meinem Arbeitsplatz zu sein, so renne ich vermutlich niemanden in die Arme, der mich kennen könnte. Ich brauche eine Weile, um mich zu orientieren und mich auf dem unbekannten Bahnhof zurechtzufinden. Die Schließfächer befinden sich im Untergeschoss, direkt neben den öffentlichen Toiletten. Wie praktisch, wenn ich mich eh umziehen soll. Nummer 636 ist das Schließfach ganz am Ende der Reihe mit Schließfächern und unmittelbar vor der Treppe, die vom Bahnhof in die Stadt führt. Da Nummer 636 abgeschlossen ist und ich nicht weiss, wo sich der Schlüssel befindet, schreibe ich Nachtwolf eine SMS.

Schatten: Wo ist der Schlüssel?

Nachtwolf: In Nummer 514.

Oh wie raffiniert und aufregend. Meine Augen suchen die Reihe ab. Und siehe da: 514 ist nicht abgeschlossen. Euphorisch öffne ich das Schließfach, nur um festzustellen, dass sich darin kein Schlüssel befindet. Also nehme ich kurzerhand den Schlüssel von  514 und probiere, damit 636 zu öffnen. Funktioniert natürlich nicht. Wäre auch zu einfach und dumm, wenn sich das Schliessfach mit dem Schlüssel eines anderen Schliessfachs öffnen lassen würde. Vielleicht hat jemand den richtigen Schlüssel aus 514 bereits rausgeholt und ist mir zuvor gekommen? Gerade als ich den Schlüssel von 514 wieder zum passenden Schließfach zurückbringen will, kommt mir wie aus dem Nichts eine Idee. Schliesslich sind wir hier bei James Bond und ich als Agentin Emily Christen auf einer Mission.

Ich hole mein Handy heraus und leuchte mit der Taschenlampe in Schließfach 514 und tatsächlich. Dort ist der Schlüssel von 636. Er ist mit Tesafilm an der Decke des Schließfachs angeklebt worden. Okay. Jetzt fühle ich mich tatsächlich wie eine Agentin. Mit einem fast schon schmerzenden Grinsen im Gesicht löse ich den Schlüssel aus seinem Tesafilm-Gefängnis und öffne damit 636.

Im Innern von 636 ist ein Karton versteckt, auf dem ein kleiner Zettel liegt, auf dem geschrieben steht: „Schon neugierig?“

Ja, bin ich. Sowas von neugierig. Ausgerüstet mit dem Paket verschwinde ich auf der öffentlichen Toilette und sperre mich in eine der Kabinen ein. Ohne Nachtwolf zu schreiben, dass ich sein Rätsel gelöst habe, ich bin einfach zu ungeduldig,  reisse ich den Karton auf und finde darin ein schwarzes Kleid vor. Um es ganz in Augenschein zu nehmen, stelle ich den Karton auf dem Toilettendeckel ab, stehe auf und halte den zarten Stoff vor mich. Es ist ein kurzes Kleid mit Spitze im Rücken und im Brustbereich, was mir sehr gut gefällt. Größe S. Gut geschätzt, Herr Wolf.

Kurzerhand ziehe ich Pulli und Shorts aus und das Kleid an. Das Kleid ist etwas enger als gedacht und geht mir nur knapp bis über den Po. Das tief ausgeschnittene Dekolletee zeigt auch sehr viel… Haut. Auf sowas steht Nachtwolf also? Es war klug von mir einen Rucksack mitzunehmen, in dem ich meine alten Klamotten verstauen kann. Notfalls hätte ich sie auch in einem Schließfach einschließen können, aber ich habe meine Wechselklamotten lieber in Griffnähe. Man kann ja nie wissen.

Nervös zupfe ich meine Locken nochmal in Form und knipse dann ein Foto von mir in dem Kleid. Die Rückmeldung von Nachtwolf lässt nicht lange auf sich warten.

Nachtwolf: Wie ich sehe, hast du das Rätsel gelöst, und du siehst zum Anbeissen aus, Schatten. Öffne jetzt Schließfach 412 mit dem Schlüssel in 201. Sag mir, wenn du so weit bist.

Die Mission geht weiter. Agentin Emily Christen stürzt sich ins Gefecht! Gleiches Prozedere wie beim ersten Mal. Der Schlüssel ist mit Tesafilm befestigt und 412 befindet sich ein weiterer Karton wieder mit einem Zettel darauf. Auf diesem steht: „Ich will in dir sein“

Prompt schießen mir die Röte in die Wange. Das… klingt ziemlich zweideutig. Werde ich heute etwa auf Nachtwolf persönlich treffen? Wird das hier ein sogenanntes Sexdate?

Ohne auf der Toilette zu verschwinden, öffne ich den Karton direkt an Ort und Stelle und erstarre. Zum Vorschein kommt ein ziemlich verruchtes Spielzeug in der Farbe schwarz, das durchaus in mir sein könnte, wenn ich…. Ich schlucke.. Soll ich das wirklich machen? “Komm schon, Emily. Tu es. Du bist eine erwachsene Frau. Benimm dich nicht wie ein kleines Mädchen!”, piesackt mich die Stimme in meinem Kopf, und sie hat recht. Ich bin eine erwachsene Frau. Kein kleines Mädchen. Ich verschwinde auf die Toilette und komme zögerlich der Forderung auf dem Zettel nach. Als es in mir ist, sende ich Nachtwolf ein weiteres Foto, diesmal eins von unter meinem Kleid.

Nachtwolf: Braves Mädchen. Nun musst du tapfer sein und den weiten Weg zum Café „Far  Away“ auf dich nehmen. Schau zu, dass nichts herausrutscht, was in dir bleiben sollte. ;)

An dem Café bin ich vorbeigelaufen. Einmal die Treppe hoch und dann links. Ca. 5 Minuten Fußweg. Wenn man normal gehen könnte. Schon beim Aufstehen stellt sich heraus, dass das schwarze Toy nicht dafür gedacht ist, größere Distanzen aufrecht gehend zurückzulegen. Es kneift ein bisschen. Ich presse wie eine Bescheuerte die Oberschenkel fest aneinander und schleiche aus der Toilettentür hinaus.

Dann kämpfe ich mich mühselig die Treppe hoch und verfluche das schwarze fiese Ding, weil es unaufhörlich an einer sehr empfindlichen Stelle reibt und ich, je näher ich diesem fernen Café komme, umso mehr Schwierigkeiten habe, voranzukommen. Auch das Kleid stellt sich als heimtückisch heraus und rutscht unentwegt nach oben, sodass ich es ständig runterziehen muss, damit zumindest mein Po einigermaßen bedeckt bleibt.

Völlig außer Puste setze ich mich auf den erstbesten Stuhl im Café „Far away“ und hole blitzschnell mein Handy heraus.

Schatten: Bin da.

Kaum geschrieben, fängt es an zu vibrieren. Nicht mein Handy. Nein. In mir drin. Oh mein Gott. Ich beiße mir auf die Unterlippe und muss mich mit den Ellbogen auf dem Tisch abstützen. Zum Glück läuft laute und hitzige Jazzmusik im Café, die es unmöglich für andere Gäste macht, das.. Vibrieren in mir zu hören. Ich spüre, wie mein Körper Feuer fängt und mich das sanfte Reiben allmählich um den Verstand bringt. Und weil das Gefühl süchtig macht, drücke ich die Beine fester aneinander und hoffe, dass keiner um mich herum mitbekommt, was ich hier gerade mache. Ich schäme mich dafür und trotzdem turnt es mich an. Und ich will mehr davon. Als hätte das schwarze fiese Ding in mir  mein stilles Gebet erhört, wird die Vibration plötzlich stärker. Sanfte Druckwellen schießen durch mich hindurch und verwöhnen mich. Mein Atem geht unwillkürlich schwerer, mein Verstand verabschiedet sich. Irgendwohin, keine Ahnung wohin. Das ist der absolute Wahnsinn, wie gut es sich anfühlt. Und so abgelenkt mit dem, was gerade zwischen meinen Schenkeln passiert, hätte ich beinahe nicht mitbekommen, dass das Display meines Handys aufleuchtet und eine Nachricht auf mich wartet.

Nachtwolf: Sieht so aus, als würde es dir gefallen.

Er ist hier?! In dem Café? Und sieht mir zu? Eigentlich sollte es mich nicht überraschen, dennoch tut es das. Peinlich berührt schaue ich mich vorsichtig im Café um, aber es ist so reichlich besucht, dass es schwierig ist, jemanden, von dem man nicht wirklich weiss, wie er aussieht, zu erkennen.

Die Kellnerin taucht neben mir auf. Ohne mich anzusehen, fragt sie, was ich bestellen will.

„Einen Kaffee“, hechle ich und ringe um Selbstbeherrschung. Das ist der Moment, wo sich der Blick der Kellnerin hebt und mich einer sehr ausführlichen und unangenehmen Musterung unterzieht.

„Geht es Ihnen gut?“, fragt sie schlussendlich mit gerunzelter Stirn und ich nicke verlegen. Nicht ganz überzeugt von meinem spärlich gelungenen Pokerface dampft die Frau davon und im Stillen danke ich ihr für die Diskretion. Und, dass sie mich nicht direkt aus dem Café geworfen hat.

Schatten: Du bist hier?

Nachtwolf: Das, was in dir ist, hat leider nur 12 Meter Reichweite.

Als mir bewusst wird, dass Nachtwolf das schwarze Spielzeug steuert, ist es komplett um mich geschehen. Der Höhepunkt überwältigt mich. Reisst mich mit. Streckt mich vollkommen nieder. Jeder Muskel in mir spannt sich an. Es ist schwer, das Zittern zu verbergen und mir nichts anmerken zu lassen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich es schaffe. Aber das ist mir in dem Moment reichlich egal. Als der Moment vorbei ist, sacke ich erschöpft auf dem Stuhl zusammen und leide, weil es einfach nicht aufhören will, in mir zu vibrieren. Nachtwolf quält mich weiter, als hätte er nicht genug, als wollte er mehr, als ich geben kann. Und irgendwie liebe ich es, obwohl ich es hasse.

Nachtwolf: Du siehst wirklich atemberaubend in dem Kleid aus, Schatten.

Gerade als ich nach meinem Handy greifen und antworten will, hört die Vibration abrupt auf. Dankbar nutze ich die kurze Verschnaufpause, um nochmal die Gäste des Cafés genauer unter die Lupe zu nehmen. 12 Meter von mir entfernt. Wie weit sind 12 Meter?

Schatten: Sei nicht feige und zeig dich!

Als Antwort fängt es wieder an, in mir zu vibrieren. Aber nur ganz kurz, dann hört es auf, wie es angefangen hat. Es scheint dem Wolf Spass zu bereiten, mich zu triezen. Fiesling.

Schatten: Zeig dich oder ich nehme es raus.

Nachtwolf: Mach doch ;)

Die Frage ist nur wie. Ich habe schon einen Kaffee bestellt und es wäre unhöflich, einfach zu verschwinden und den Kaffee stehen zu lassen. Ich schaue mich hilfesuchend um und entdecke ein Toilettenschild. Rettung in Not. Abgekämpft und mit einem neckischen Kribbeln, das durch meinen Körper zischt wie warmer Strom, stütze ich mich auf dem Tisch ab und hieve meinen Po vom Stuhl hoch, dann schreite ich langsam und mit wackeligen Beinen auf das Schild zu. Mein Gang muss unendlich dämlich aussehen, aber ich tröste mich mit dem Gedanken, dass mich hier sowieso keiner kennt. In der Toilettenkabine angekommen, streife ich meine nasse Strumpfhose herunter und nehme das Toy aus mir heraus. Dann wickele ich es in den Stoff ein und ertappe mich dabei, wie ich wie eine Bekloppte die Toilettentür angrinse. Verdammt, warum habe ich sowas noch nie vorher ausprobiert? Die Dinger sind absolut großartig.

Zurück an meinem Tisch, steht der Kaffee bereits da. Die Strumpfhose habe ich zusammen mit dem Spielzeug im Rucksack verstaut. Und da es etwas kühl ist, mit nackten Beinen und im knappen Kleid, ziehe ich mir meinen Pullover über und falle anschließend wie eine Verdurstende über den Kaffee her.

Nachtwolf: Langweilerin.

Schatten: Sagt der Richtige.

Ohne von vibrierenden Dingen in mir abgelenkt zu werden, lasse ich meinen Blick nochmals durch das Café schweifen, auf der Suche nach jemanden, der Nachtwolf sein könnte. Die meisten Tische sind mit Frauen besetzt. Hin und wieder hat sich ein  Mann dazwischen geschlichen. Es gibt nur drei Tische, an denen ein Mann ohne Begleitung sitzt. Und einer von diesen Männer ist zu alt, um Nachtwolf zu sein, der andere zu breit und der Dritte hat die falsche Hautfarbe. Wo hat sich der Wolf versteckt?

Schatten: Ich bin dran. Komm her und trinke einen Kaffee mit mir.

Als nach fünf Minuten immer noch keine Antwort auf meine Forderung eintrudelt, rufe ich Nachtwolf einfach an. Vielleicht hat er vergessen, sein Handy auf lautlos zu stellen und ich kann ihn durch das Klingeln aufspüren. Nachtwolf macht mir einen Strich durch die Rechnung. Kaum habe ich die Nummer gewählt, geht der Telefonanrufbeantworter ran. „Die gewählte Rufnummer ist momentan nicht verfügbar“- Bla, bla. Nach weiteren fünf Minuten versuche ich es nochmal mit demselben Ergebnis. Ist das sein verdammter Ernst?

Enttäuscht bezahle ich meinen Kaffee und mache mich auf den Weg zu den Gleisen. Irgendwie fühle ich mich schmutzig und etwas benutzt, auch wenn ich freiwillig bei diesem Spiel mitgespielt habe. Der Mistkerl hätte sich wenigstens blicken lassen können, wenn ich mich für ihn schon in der Öffentlichkeit blamiere. Ich gebe zu, diese Toy-Nummer hatte einen gewissen Reiz, aber der Ausgang der Geschichte missfällt mir. Nachtwolf, du hättest mich haben können. Gefalle ich dir nicht? Liegt es etwa an dem fehlenden Lippenstift? Gott, Emily, hör auf dich selbst so fertig zu machen. Das ist doch lächerlich.

Im Zug kreisen meine Gedanken wieder um Ikarus und sein Angebot. „Er ist gefährlich“, hallen Nachtwolfs Worte durch meinem Kopf.  Womöglich. Aber du, du bist feige Wölfchen. Und ich war auch lange genug feige. Es ist an der Zeit loszulassen und sich nicht mehr hinter Ausreden zu verstecken. Wäre da nicht diese blöde Gans in meinem Hinterkopf, die unbedingt herausfinden will, wer du bist, Nachtwolf. Ich verfluche die blöde Gans die ganze Zugfahrt über und auch noch auf dem Weg nach Hause. Am liebsten hätte ich meinen Schädel gegen den nassen Asphalt gehauen, einfach nur, um das biestige Gefieder in mir zum Schweigen zu bringen..

Um 15 Uhr halte ich es nicht mehr aus und lege mich ins Bett, in der Hoffnung, ein bisschen abschalten zu können. Drei Stunden später werde ich jedoch von Georg wachgeklingelt.


„Em, wir müssen reden.“
"Müssen wir nicht", denke ich und ziehe die Decke über mein Gesicht.
„Mir geht es nicht gut. Können wir das verschieben?“
„Soll ich vorbeikommen?“
Nein.
„Ich habe irgendwas Ansteckendes. Morgen geht’s mir bestimmt besser.“
„Sicher? Ich finde nämlich nicht, dass es falsch war, was letzte Nacht zwischen uns passiert ist. Ich würde das gerne wiederholen. Es war schön mit dir, Em. Das meine ich ernst.“
Ach findest du? Am liebsten hätte ich aufgelegt und wäre aus dem Fenster gesprungen. Stattdessen lüge ich knallhart ins Telefon.
„Ja, wir können es wiederholen, aber nicht heute. Mir geht es wirklich nicht gut.“
Damit scheine ich ihn vorerst zufrieden gestellt und besänftigt zu haben. Ich höre ein erleichtertes Seufzen durch den Hörer.
„Na gut, dann wünsche ich dir eine gute Besserung, werd' schnell gesund, du hübsche Maus.“
Maus!?‘ krächzt mein Unterbewusstsein empört aus dem Hintergrund, aber ich versuche der Stimme keine Beachtung zu schenken.
„Danke Georg. Gute Nacht.“
„Schlaf gut!“

Kaum aufgelegt, erhalte ich von Georg eine SMS. Ein einzelnes Kusssmiley und dahinter dreimal der Buchstabe “x”. Statt angetan zu sein, schüttelt es mich innerlich. Wie komme ich aus der Nummer wieder raus? Und warum zum Teufel kann ich mich nicht darüber freuen, dass wenigstens ein attraktiver Mann die Eier hat, mir zu zeigen, wie sehr er mich will? Warum interessiert mich sowas überhaupt? Hat es doch bisher auch nie getan. Angewidert von mir selbst, buddle ich mich aus dem Deckenhaufen frei und hole mir einen Schokopudding aus dem Kühlschrank. Während ich die braune Schokomasse in mich reinschaufle, fällt mir mein Rucksack ins Auge, der auf dem Boden vor der Haustür steht.

Auf nackten Sohlen tapse ich zu ihm und hole die Strumpfhose mitsamt Sextoy heraus. Weil mein Körper ein masochistisches Arschloch ist, reagiert er ungewollt auf das dämliche schwarze Ding, was ich von Nachtwolf bekommen habe. Meine Libido verlangt förmlich nach einer Zugabe. Und ich bin am Zug. Bloss: Wie locke ich den schüchternen Wolf aus seiner Reserve? Plötzlich drängt sich die Erinnerung an einen Traum, den ich früher als Teenager oft hatte, in mir auf. Ich renne wie eine Bekloppte zurück ins Schlafzimmer und angle mein Handy aus dem Kissenhaufen hervor.

Schatten: Um 22 Uhr lege ich mich schlafen und lasse die Haustür heute Nacht offen. Breche bei mir ein und leg dich zu mir ins Bett. Ich werde eine Augenbinde tragen.

Als ich die Nachricht abgeschickt habe, wird mir warum auch immer flau im Magen. Entweder liegt es an dem Pudding oder daran, dass ich soeben Nachtwolf meine Adresse zukommen lassen habe und fest darauf vertraue, dass ich es nicht bereuen werde. Ikarus90 ist gefährlich, bist du es auch, Nachtwolf?


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