Hi Stalker - 2
Mein erster Gedanke gilt dir, wenn ich morgens aufstehe, Stalker. Und ich frage mich, ob es dir genauso ergeht. Liegst du auch gerade im Bett und denkst an mich? Falls ja, tun deine Hände das gleiche wie meine in diesem intimen Moment zwischen Traumwelt und Augenaufschlag?
Mmmh, ja, ich spiele am Saum meiner Schlafshorts herum, lasse den Gummizug sanft gegen meine empfindliche Haut spicken. Ich stelle mir vor, du hättest dich tief in der Nacht in mein Schlafzimmer geschlichen und mich beobachtet. Wie ich so daliege, hilflos, ahnungslos, dir vollkommen ausgeliefert. In meinem Kopfkino habe ich die Bettdecke von mir gestrampelt, sodass du mein linkes, nacktes Bein zu Gesicht bekommst und einen Teil meines Oberkörpers, der lediglich von einem dünnen und beinahe durchsichtigen Top bedeckt wird. Ich lasse nachts das Fenster gerne offen, also ist es immer ein bisschen kühl in meinem Schlafzimmer und du siehst, was die Kälte in und auf meinem Körper auslöst. Eine leichte Gänsehaut bildet sich und… ja, du bemerkst es auch, als dein Blick auf eine ganz bestimmte Region fällt. Und dir gefällt, was du siehst. Deine Hand wandert tiefer, so wie meine Hand nun unter dem leichten Stoff verschwindet. Von dir beobachtet zu werden macht mich schwach und es fühlt sich irgendwie gut an. Wie eine Berührung, die man nicht unbedingt will, die sich aber dennoch als warm und schön herausstellt. Vielleicht bin ich krank, genauso krankhaft wie deine Sehnsucht nach mir. Diese Tatsache ringt mir ein Lächeln ab, bereits das zweite, was auf dein Konto geht.
Doch bevor das zwischen dir und mir ausartet, schäle ich mich widerwillig aus meinem Bett. Erst den rechten Fuß, dann den linken - ich habe noch Einiges zu tun.
Ich beginne den Tag mit einer ausgiebigen Dusche und werde statt von dir von heißem Dampf empfangen. Er bleibt überall auf mir haften, zaubert mir kleine Schweißperlen ins Gesicht, denen ich sogleich mit eiskaltem Wasser an den Kragen gehe. Ich bin mörderisch unterwegs, denn mein nächster Handgriff gilt dem Färbemittel auf dem Spülbecken. Es gibt eine Sache von vielen, die Stalker hassen. Veränderung. Heute bin ich frech und necke ich dich ein wenig. Ich weiss, wie sehr du das Blond meiner Haare magst, also färbe ich sie mir nun pink. Es ist kein süßes Pink, mehr ein Knallpink. Eins, das auffällt und auffallen will ich, die sonst eher unauffällig ist, heute um jeden Preis.
Als das erledigt ist, kommen wir zu der zweiten Tat, die dich ärgern wird. Dafür brauche ich nicht viel, aber es ist auch nicht viel notwendig, um eine eingefahrene Routine zu durchbrechen. Manchmal reicht es aus, statt zum Zuckerstreuer zum Milchkännchen zu greifen und den Kaffee ausnahmsweise einmal nicht schwarz sondern schaumig braun zu trinken. Schmeckt dir vermutlich noch weniger als mir und ich bin mir sicher, wir werden uns beide erst daran gewöhnen müssen. Das ist neu, das ist aufregend und nun Etwas zwischen dir und mir. Ein Problem, das wir miteinander haben und das wir zu einem späteren Zeitpunkt lösen müssen. Entweder du gewöhnst dich dran oder.. ich rücke einen der vier Stühle zurecht. Schiebe den Tisch woanders hin, platziere die Dekoration um. Die Vase steht nun auf der Küchentheke. Der Wasserkocher neben dem Toaster, der neu auf dem Gestell steht, das normalerweise neben der Tür seinen Platz hat. Ich habe mir auch einen Teppich bestellt und noch andere Dinge, die dich irritieren werden. Ich werde mich von gewissen Stücken trennen und sie gegen andere Exemplare austauschen, die ich mir wahrscheinlich ohne dein schamloses Eindringen in mein Leben niemals zugelegt hätte.
Seufzend greife ich nach meiner neuen Designer-Handtasche und verlasse meine Wohnung. Diese ist nun verstellt und umgestellt. Der Kaffee schmeckt mir nicht mehr. Ich sehe ein bisschen anders aus. Sag mir, Stalker, was löst das in dir aus?