Barcode Man

Creepypasta 21. Jan. 2022

Warnung:

Wir erinnern uns daran, dass dies nur eine fiktive Geschichte ist. Der Inhalt soll schockieren, abschrecken und Angst auslösen.  Das Leben ist kostbar. Das Leben ist ein Geschenk und man sollte andere so behandeln, wie man selbst gerne behandelt werden möchte. Mit Respekt, Liebe und Verständnis. Solltest du dunkle Gedanken haben, die dich drohen einzunehmen, dann suche dir bitte Hilfe. Es gibt immer eine helfende Hand, man muss danach nur greifen wollen.

„Haben sie geprüft, ob der Stecker in der Dose ist?“
„Selbstverständlich, halten Sie mich eigentlich für blöd? Das Scheissding geht nicht mehr an! Ich habe schon alles ausprobiert.“
„Sicher? Also nochmal ein- und ausschalten, das haben Sie auch probiert?“
„Wenn es nicht mehr angeht?! Hören Sie mir überhaupt zu?! Was denken Sie eigentlich, wer sie sind? Gehen Sie immer so respektlos mit Ihren Kunden um????“
„Wann haben Sie das Gerät zuletzt verwendet?“
„Gestern ging es noch. Oh warten Sie….Scheisse. Das Kabel... es ist tatsächlich nicht eingesteckt. Schatz! Du hast beim Staubsaugen mal wieder den verdammten Stecker rausgerissen!!!!“


Tut tut tut….

Genervt nehme ich das Mikrophon vom Kopf und werfe einen Blick auf die Uhr. Eigentlich müsste ich noch 10 Minuten arbeiten, aber nochmal so einen Anruf überlebe ich heute nicht. Kaum vorstellbar, wie viele Idioten unter uns weilen. Das Einzige, was mich mein Job in den zwei Jahren Callcenter gelehrt hat, ist das ungefähr 90% der Menschheit einen IQ unterirdisch und jenseits von Gut und Böse hat. Ein Wunder, dass diese Untermenschen- wie ich sie gerne nenne - überhaupt fähig sind, alleine aufs Klo zu gehen, ohne jemanden, der ihnen eine Schritt für Schritt-Anleitung dafür gibt oder ihnen sagt, dass sie danach den Arsch abwischen müssen, damit die Hose sauber und trocken bleibt. Alles Idioten meiner Meinung nach und ich glaube, mit dieser Meinung stehe ich nicht alleine da.
Yepp, heute halte ich definitiv keinen weiteren Idioten aus. Bevor ich meinen Computer ausschalte, prüfe ich nochmals sicherheitshalber meinen Kontostand. Und verdammt. Nur noch dreissig Euro und ein paar Cent, mehr nicht. Ausgerechnet jetzt, wo ich das Geld so dringend brauche.

Die letzte Stromrechnung hat mein Erspartes aufgefressen und die Nanny für meine Tochter Lola ist leider auch nicht gerade billig, aber notwendig. Alles nur, weil meine Exfrau mit ihrem neuen Macker durchbrennen musste und uns beide alleine zurückgelassen hat, so als hätten wir für sie einfach aufgehört zu existieren. Aber Exfrauen um Geld anzubetteln ist keine Option. Ein letzten Fünkchen Stolz besitze ich noch. Naja, wobei das Fünkchen Stolz auch bald erlöschen wird Meine Tochter hat nämlich heute Geburtstag und wie kleine Mädchen so sind, wünschen sie sich immer irgendetwas Ausgefallenes. Was bedeutet, dass ich meinen Chef um einen kleinen Vorschuss anbetteln muss. Sie wird ja schliesslich nur einmal Sieben. Du schaffst das schon, Sascha, rede ich mir gut zu und klopfe mir dabei imaginär auf die Schultern. Wird schon schief gehen. Kopf hoch, Brust raus und los geht’s - wie man so schön sagt.Wie zu erwarten, will mir mein Chef keinen Vorschuss geben. Dieser verdammte herzlose Bastard. Zwei Jahre in dieser Drecksfirma und der Mistkerl weiss, dass meine Frau mich verlassen hat und dass ich eine kleine Tochter zu Hause sitzen habe, um die ich mich kümmern muss - aber es interessiert ihn nicht die Bohne. Er hätte eine Firma zu leiten und auch Münder zu stopfen, bla bla bla. Ja, leck mich doch am Arsch.
Deprimiert packe ich mein Zeug zusammen und nehme den Lift runter zur Tiefgarage. In einer Stunde schliessen die Geschäfte und ich muss irgendetwas für meine Tochter auftreiben, bevor der Zug abgefahren ist. Scheisse, verdammt, und dann wünscht sich auch noch eine Spieluhr mit einer Ballerina, da sie gerne selbst Ballett tanzen würde. Hätte ich das nötige Kleingeld, würde ich ihr den Wunsch mit dem Ballett auch ermöglichen. Aber aktuell stehen Ballettstunden nicht zur Debatte. Viel zu teuer. Kann ich mir einfach nicht leisten, egal wie ich es drehe und wende. Also muss ich zumindest diese blöde Spieluhr auftreiben.

Die Enttäuschung in ihrem Gesicht zu sehen, als ich ihr gebeichtet hatte, dass es erstmal keine Ballettstunden geben wird, hatte mein Herz bereits schon in Tausend Stücke gerissen, kaum auszumalen, was mit dem Ding passiert, wenn ich meine Tochter nochmal enttäuschen sollte. Und obwohl ich mir im Klaren bin, dass sich an unserer aktuellen Situation so schnell nichts ändern wird, habe ich ihr natürlich auch noch versprochen, dass Papa bald einen neuen Job haben und ganz viel Geld verdienen wird. Okay. Ja. Ich bin ein schlechter Vater, der seine einzige Tochter anlügt und nichts auf die Reihe kriegt. Mit meinem katastrophalen Lebenslauf bekomme ich nicht mal einen Job an der Kasse. Drogenvergangenheit und als wäre das nicht genug auch noch Diebstahl. Ein Wunder, dass mich das Arschloch im Callcenter überhaupt eingestellt hat. Wahrscheinlich nur, um sich an meiner Misere zu erfreuen, sadistisches Schwein, das er ist.
Ich drücke das Gaspedal herunter und rase viel zu schnell aus der Garage. Egal. Spielt jetzt auch keine Rolle mehr. Auf zum nächsten Spielzeugladen und hoffen, dass die Spieluhr im Budget liegt. Kaum angekommen finde ich mich zwischen überforderten Muttis und quängelnden Kindern in der Spielzeugabteilung wieder. Links und rechts von mir sind die Regale vollgestopft mit Krimskrams in den Farben Pink und Weiss. Und ich wirke wie der schwarze Schandfleck dazwischen. Die eine Mutti hat mir auch schon einen leicht ängstlichen Blick zugeworfen, als ihr meine Springerstiefel und meine mit Totenköpfen und bösen Symbolen verzierte Bomberjacke ins Auge gefallen sind. Tja, was soll ich sagen - ich bin halt nicht der perfekte 0815-Standardpapa. Früher war ich stolzes Mitglied einer Bikergang und bin nur ausgetreten wegen meiner Frau, respektive Exfrau, als sie mit Lola im fünften Monat  schwanger war und sich endlich dazu überwunden hatte, mir davon zu erzählen und mich zu bitten mit dem ach so bösen "Gangleben" aufzuhören und ein verantwortungsbewusster Vater zu werden.

Mittlerweile zweifle ich sogar daran, dass ich wirklich der Vater von Lola bin, aber ich liebe die Kleine mittlerweile viel zu sehr, um sie in meinem Leben zu missen. Sie ist mein Sonnenschein und ohne sie, bin ich einfach nichts. Also muss ich mich hier herumquälen und nach der perfekten Spieluhr für sie suchen, weil gute Daddies das so machen. Was sich als gar nicht als ein so einfaches Unterfangen herausstellt. Barbies und Plüschtiere sind zwar im Übermass vertreten, aber Spieluhren scheinen Raritäten zu sein. Also spreche ich eine Verkäuferin an und lasse mich von der älteren Dame zu den drei Spieluhren, die sie im Sortiment haben, führen. Super. Eine kitschiger als die andere. Die mit goldenen Vögelchen fällt schon einmal weg, viel zu protzig und viel zu teuer. Die zweite hat anstelle einer Ballerina eine tanzende, vollbusige Hannah Montana in der Mitte, die ich meiner Tochter nicht zumuten will. Das Ding würde zwar nur zwanzig Euro kosten, aber es sieht halt auch nach zwanzig Euro aus. Wenn nicht weniger.
In die letzte Spieluhr setze ich all meine Hoffnungen. Mit nervösen Fingern öffne ich die zartrosa-farbene Schatulle, die mit weissen Blumen bestückt ist. Bingo. In der Mitte der Spieluhr steht auf Zehenspitzen eine schöne Ballerina im einem klassischen pinken Tütü, die sich anmutig zu einer sanften Melodie im Kreis dreht. Perfekt. Genau das, was ich haben will. Ich klappe die Spieluhr wieder zu und wende sie, um einen Blick auf das Preisschild auf der Rückseite zu erhaschen. Scheisse. Vierzig Euro. Wirklich? Das sind zehn Euro über dem Budget. Geknickt lege ich die Spieluhr wieder zurück ins Regal.

Verdammt. Lola wird enttäuscht sein. Ich werfe einen Blick über meine Schulter zu den Teddybären hinüber und hadere mit dem Gedanken, ihr anstelle der Spieluhr einen dieser blöden weissen Teddys zu kaufen. Sie hat schon einen Braunen. Mr. Opium. Ja, sie hat ihn tatsächlich Mr. Opium getauft. Unnötig zu erwähnen, dass ihr Plüschhase Mr. Crack und ihre Barbie Crystal heisst. Begriffe, die sie von mir irgendwann aufgeschnappt hat, weil ich anfangs Schwierigkeiten hatte, von den Drogen loszukommen. Wieder ein Beweis, dass ich ein furchtbar schlechter Vater war und noch immer bin. Diese Spieluhr wäre meine Chance gewesen, zu zeigen, dass ich auch anders kann. Naja, offensichtlich wohl nicht.
Und als wäre das nicht genug Bullshit für einen Tag, beäugt mich die Mutti im Flur weiter unten mit einem skeptischen Blick und zieht ihren Sohn, der gerade mit einem Monstertruck in der Hand herumbrummt näher zu sich ran - dann reisst sie ihm das Ding aus der Hand, legt es ins Regal zurück und zieht den total überrumpelten und weinenden Sohn hinter sich her in den nächsten Gang, raus aus meinem Blickfeld.  Wow, da tut die verklemmte Kuh doch tatsächlich so, als hätte ich vor, ihr Balg zu fressen oder noch besser - gleich vor ihren Augen zu vergewaltigen. Haha. Vorurteile ahoi. Ich fahre einen imaginären Mittelfinger aus und wende mich wieder der teuren Spieluhr zu. Ob ich sie vielleicht auf dreissig Euro runterhandeln könnte? Oder vielleicht könnte ich die Oma an der Kasse überreden, den Rest nächsten Monat zu bezahlen?

Andererseits,… in dem Outfit wird sie mir wahrscheinlich die Spieluhr aus der Hand schlagen und direkt die Polizei rufen. Wo wir wieder bei den 90% Idioten auf dieser Welt wären. Früher hätte ich die Uhr einfach in meine Jacke gesteckt und wäre damit aus dem Laden stolziert. So habe ich unzählige Flaschen Schnaps mitgehen lassen. Unbemerkt. Der Langfinger steckt in meinem Blut, mein Vater war damals schon kriminell gewesen und ich musste mich als Kind auf der Strasse durchkämpfen. Kein Wunder will ich, dass es Lola besser hat, als ich damals. Sie soll gut aufwachsen. Behütet. Umsorgt. Deswegen auch die Nanny. Isabelle. Sie ist der wohl liebenswerteste Mensch, der mir seit Jahren begegnet ist und die auch absolut kein Problem mit meinem Auftreten hat. Für sie zählt nur Lolas Wohl. Isabelle ist eine gute Seele, hat so einen guten Draht zu der Kleinen und es ist mir total unverständlich, wieso der Volltrottel dort oben im Himmel aka Gott gerade es einer so guten Frau wie Isabelle verwehrt, selbst Kinder bekommen zu dürfen. Das kann sie nämlich nicht, deswegen ist sie Nanny geworden. Die Welt ist so scheisse ungerecht und verflucht unfair.
Schlagartig muss ich an Lola denken, wie sie einmal mit Isabelle Memory gespielt hat, während ich die Wäsche gebügelt habe und beinahe das ganze Haus dabei abgefackelt hätte. Verdammt. Ich muss Lola heute glücklich machen. Nur ein einziges Mal ein guter Vater sein. Koste es, was es wolle. Ich werfe einen Blick nach links und rechts, checke die Lage und als die Luft rein ist, schnappe ich nach der Spieluhr und lasse sie in der Innentasche meiner weitgeschnittenen Bomberjacke verschwinden. Dann greife ich nach einem kleinen Plüschteddybäranhänger für lappige fünf Euro und gehe zur Kasse. Alibikauf, damit es nicht so wirkt, als würde ich den Laden mit leeren Händen wieder verlassen wollen und wäre nur gekommen und "Kinder zu beobachten" oder sowas in der Art. Das hat man mir nämlich das letzte Mal vorgeworfen, als ich ein Kleid für Lola kaufen wollte und in der Kinderabteilung bei den Mädchensachen herumgelungert bin. Lola war im Kindergarten und ich wollte sie halt überraschen und ta da, prompt wird man als perverser Kinderschänder abgestempelt, weil man kinderlos ein lilafarbenes Kleid kaufen geht und dafür gefühlt zwei Stunden in dem Laden verbringt, weil man keine Ahnung von Kleidern hat.

Als ich den Anhänger bezahlt habe und wieder im Auto sitze, muss ich mir erstmal eine Zigarette anzünden. Dabei sticht mir ein Plakat ins Auge, das über dem blöden Laden hängt und mir vorhin gar nicht erst aufgefallen ist: „Liebe Kinder, wenn ihr klaut, kommt euch der böse Barcodeman holen.“  Neben der Aufschrift ist eine Oma abgebildet, die den Finger mahnend erhebt und böse aus der Wäsche guckt. Ich muss lachen. Barcodeman. Nicht schlecht. Hätte mich als Kind jedenfalls nicht abgeschreckt, was mitgehen zu lassen. Und ja, eigentlich wollte ich mich dem Klauen aufhören. Aber das ist bitteschön ein Notfall gewesen, also Omi, hab Erbarmen mit mir! Mit Kippe im Mund hole ich die Spieluhr aus meiner Jacke und lege sie neben mir auf den Beifahrersitz. Vierzig Euro-Spieluhr. Was für eine Abzocke. Deswegen wird der Laden schon nicht bankrottgehen.
Zuhause angekommen ist Isabelle gerade mit dem Abendessen fertig geworden. Da Lola Geburtstag hat, gibt es heute ihr Lieblingsessen. Spaghetti Napoli mit extra viel Käse. Wie jedes Mal, wenn ich zur Tür reinkomme, begrüsst mich Lola überschwänglich und lässt sich quietschend in meine Arme fallen. Ich umarme sie und drücke ihr sanft einen Kuss auf die Stirn. Die leuchtenden Augen, als sie die Spieluhr in meiner Hand bemerkt, werde ich nie vergessen. Okay, come on. Die Klauerei hat sich sowas von gelohnt.

Später am Abend bringe ich Lola ins Bett. Die Spieluhr hat sie auf ihren Nachtisch platziert und sogar zu der sanften Melodie der Uhr mitgesummt, als ich ihr eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen habe. Die zierliche Ballerina im pinken Tütü mit den blonden Haaren hat selbstverständlich auch schon einen Namen bekommen, über den ich mich nur minder gefreut habe, - habe es mir natürlich aber nicht anmerken lassen. Sie trägt den stolzen Namen Marihuana und ist ab jetzt Lolas grosses Vorbild. Hoffentlich nur was Ballett angeht. Scheisse, ich liebe dieses Kind, mehr als alles auf dieser beschissenen Welt. Ignoriert man die Tatsache, dass ich gegen meine eigenen auferlegten Prinzipen verstossen und die Spieluhr geklaut habe, hätte der Abend eigentlich nicht besser laufen können. Lola ist glücklich und das ist alles, was zählt.

„Katsching!“

„Was zum….“ Ein lautes Geräusch reisst mich so unsanft aus dem Schlaf, als hätte man mir einen Elektroschlag in die Seite verpasst. Ich reibe mir hektisch über die Augen und spüre, wie mein Puls automatisch in die Höhe schiesst, bereit mögliche Einbrecher niederzumetzeln und wild um mich zu schiessen. Ich starre auf die digitale Nachtischuhr neben meinem Bett und will aus Gewohnheit nach meiner Knarre greifen und greife natürlich ins Leere, weil ich die wegen Lola vor einem Jahr auf den Dachboden verbannt habe. 3 Uhr morgens.

„Katsching!“

Was zum verfluchten Hölle ist das? Hört sich an, wie eine uralte Kasse aus einem anderen Jahrhundert. Angespannt schäle ich mich aus meinem Bett und schnappe nach dem Schlagstock neben meinem Bett. Überbleibsel aus meinen  Clubzeiten. Den hab ich behalten. Man kann ja nie wissen.

„Katsching!“

Ist das eines von Lolas Spielzeugen? Nein, an so etwas wie Kasse würde ich mich erinnern können. Auf leisen Sohlen schleiche ich mich ohne das Licht anzuschalten aus meinem Schlafzimmer. Wenn es sich wirklich um einen Einbrecher handelt, werde ich den Wichser von hinten angreifen und windelweich schlagen. Ich hoffe nur, es handelt sich nicht um ein Mitglied eines anderen Clans, der mir nach all den Jahren aus irgendeinem Grund ans Bein pissen will. Verdammt. Lola. Ich muss zu ihr! Ich beschleunige meinen Schritt und werfe auf dem Weg zu Lolas Zimmer einen Blick ins Wohnzimmer. Nichts. Keiner da. Alles sti....

„Katsching!“

Ok. Das Geräusch kommt aus Lola's Schlafzimmer. Prompt steht mir der eiskalte Schweiss auf Stirn und Rücken. Eiskalt und doch gleichzeitig brennend heiss. Und mein Herz, scheisse, das ist kurz vor dem Kollabieren. Wenn irgend so ein Wichser meiner Tochter etwas zu Leide tut, könnte ich mir das nie verzeihen. Ein weiteres „Katsching!“ treibt mir auch noch die Tränen in die Augen. Jetzt kann ich mich nicht mehr zurückhalten, nicht mehr klar denken. Ich renne los, reisse Lola's Schlafzimmertür auf und… Was zum…  Der Raum leuchtet in einem schwachen Rot wie in einem Puff. Schlagartig lasse ich den Stock vor Schock auf den Boden fallen und komme aus dem Entsetzen kaum her heraus. Lola sitzt mit der Spieluhr in der Hand auf dem Boden und summt leise diese dämliche Melodie nach, während die Ballerina in der Mitte eine Spur schneller tanzt als üblich. Aber scheiss auf die verfluchte Ballerina. Das Schlimmste ist, dass vor meiner Tochter irgendein.... Kerl kniet. Die Pupillen strahlen blutrot aus den schwarzen Augenlöchern und werfen Lola's Schatten an die Wand gegenüber. Der Schädel ist kahl. Starke Furchen schlängeln sich wie Narbengewächs über das ausgemergelte und eingefallene Gesicht. Dort, wo eigentlich eine Nase sein sollte, ist lediglich ein Loch, in dem ein knallroter Ball steck und als der Clown oder was auch immer dieser Wichser darstellen soll, sich zu mir umdreht und die Hand zum Gruss ausstreckt, erklingt wieder dieses abscheuliche: „Katsching!“
Ich spüre wie meine Kinnlade sich aus meinem Gesicht verabschiedet und meine Augen drohen wie Pingpong-Bälle aus ihren Höhlen zu springen. Der Kerl... nein,... dieses Ding kann definitiv nicht menschlich sein. Unmöglich. Kein Mensch gibt solche Geräusche von sich und kein Mensch hat einen gestrichelten Streifen an der Stelle, wo eigentlich der Mund sein sollte und der sich in einer Kurve von seinem linken bis zu seinem rechten Ohr zieht. Als dieses Ding auch noch anfängt laut loszulachen, wippen die Striche wie Pianotasten hoch und runter zu dem metallischen Grollen, dass diese.. Kreatur von sich gibt. Ich bleibe wie angewurzelt stehen und starre das Ding nur weiterhin fassungslos an. Das kann doch nicht wahr sein. Ich muss voll drauf sein. Aber ich habe nichts genommen. Das kann eigentlich... nicht sein...
Lola sitzt immer noch friedlich vor sich hin summend auf den Boden und betrachtet die Spieluhr in ihren kleinen Händen, als würde nur ich dieses.... Ding wahrnehmen.
„Hallo Sascha! Katsching!“

Die mechanische Stimme von dem Kerl reisst mir beinahe das Trommelfell aus den Ohren und ist so laut, dass ich sie mir notgedrungen vor Schmerzen zuhalten muss. Moment mal. Sascha? Woher kennt dieses Ding meinen Namen? Verdammt nochmal, egal. Scheisse! ich muss Lola retten! Ich löse widerwillig meinen Blick von diesem.... Ding und bücke mich nach meinem Schlagstock. Meine Hände zittern so sehr, dass ich ihn beinahe nicht greifen kann und mehrere Versuche brauche. Als ich es endlich schaffe und mich auf den Kerl stürzen will, löst er sich vor meinen Augen in Luft auf und der ganze Raum komplett dunkel und still. Kein rotes Licht. Keine Melodie. Was zum…

„Papa, was machst du da?“

Die Tischlampe auf Lola's Nachtisch geht an und ich sehe meine Tochter, wie sie im Bett liegt, sich müde über das niedliche Gesicht reibt und dazu herzhaft gähnt. Mein Blick fällt auf Spieluhr, die sich zugeklappt neben der Nachttischlampe befindet. Hä? Bin ich blöd? Meine Tochter war doch gerade eben noch auf dem Boden mit dieser Spieluhr und diesem...Ding?
Ich hole einmal nach Luft und schaue mich nochmals im Raum um. Nichts. Alles normal. Immer noch mit rasenden Puls, kurz vor dem Herzkollaps und den Schlagstock umklammernd, als würde mein Leben davon abhängen, gucke ich hinter die Zimmertür. Auch nichts. Dann reisse ich die Türen von Lola's Kleiderschrank auf und fuchtle mit meinem Stock in ihren Kleidern herum. Vielleicht hat sich der Bastard… Nein. Da ist auch nichts unter dem Bett. Ich kann mir das doch nicht alles nur eingebildet haben?
„Ich ehm… ich… warst du nicht eben gerade noch auf den Boden und hast… wo ist der Mann denn hin?“
„Welcher Mann?" Lola sieht mich mit grossen Augen an. "Papa, war LSD wieder da? Ich dachte, du willst nicht mehr, dass sie kommt.“
„Was? LSD?“, wiederhole ich geistesabwesend und suche nochmals den Raum von oben bis unten ab und schlage ein paar Mal mit meinem Schlagstock in der Luft herum. Nichts, verdammt. Gar nichts.
„Papa, du machst mir Angst.“
Lola zieht ihre Knie an sich ran und umklammert sie mit beiden Händen. Okay, Sascha, du machst der kleinen Angst. Komm wieder klar. Komm wieder klar, hörst du, verdammt?
„Nein,.. oh Gott, Süsse… alles in Ordnung. Papa sieht nur…ähh… ich wollte nur schauen, ob alles in Ordnung ist. Kein Monster im Schrank oder unter dem Bett?“
„Nein“, blafft Lola mich an und verzieht zermürbt ihr süsses Gesicht. „Es gibt doch gar keine Monster, Papa!“
„Stimmt, richtig, keine Monster.“

Ich setze mich auf die Bettkante und lege den Schlagstock auf den Boden. „Sorry Kleine, Papa ist etwas durch den Wind.“
Als ich Lola sanft über die Haare streichle, beruhigt sie sich, und da ist es wieder, das tolle Lächeln, was jedes Vaterherz höher schlagen lässt und ein wohliges, warmes Gefühl in der Brust hinterlässt.
„Ich mag LSD nicht leiden, Papa“, meint die Kleine und plustert ihre Wangen auf.
„Ich weiss, Liebling. LSD war nicht da. Versprochen“, versichere ich ihr, obwohl ich mir gerade selbst nicht so sicher bin, ob ich mir wirklich nicht im Schlaf irgendwas eingeworfen habe.
Lola beäugt mich einmal skeptisch, dann nickt sie und legt sich wieder hin. Ich lehne mich über sie und küsse sie sanft auf die Stirn. „Und jetzt schlaf Süsse.“

Als ich die Nachttischlampe auf dem Tisch ausknipsen will, bleibt mein Blick an der Spieluhr haften. Ist das etwa das schlechte Gewissen, das mir einen Streich gespielt hat? Wie auf Knopfdruck blitzt das dämliche Plakat mit der Omi vor meinen inneren Augen auf. Wie ging der Spruch nochmal? "Du sollst nicht klauen, sonst kommt der Barcodeman dich holen." Oder sowas in der Art. Was für ein Quatsch. Als ob. Auf leisen Sohlen und mit Schlagstock in der Hand verlasse ich Lola's Zimmer und begebe mich zu meinem eigenen. Fuck, bin ich durch. Sowas von durch. Das muss der Stress bei der Arbeit sein. Ich bin so ein Vollidiot. Einer dieser 90%. Barcodeman. Haha. Was für ein Witz. Schmunzelnd drücke ich die Türklinke meines Schlafzimmers herunter und…

„Katsching!“

Der ganze Raum leuchtet in einem bordellrot. Die Wänden sind übersät mit Barcodes. Auf dem Fussboden liegen abertausende Quittungen. Okay. Ooookay. Das bilde ich mir nur ein. Das ist alles nicht echt. Nicht echt. Sascha. Komm klar. Komm wieder klar. Ein metallisches Lachen dröhnt durch das Zimmer. Eines, das weh tut und einem das Gehör herausreisst. Nein, okay. Du hast dich nur verhört. Da ist nicht, eigentlich ist alles still. Alles nur Einbildung. Du legst dich jetzt einfach hin und... da ist er wieder. Dieser Mann mit leuchtend roten Augen, diese Kreatur.. dieses... Ding, mitten im Raum und dort, wo eigentlich ein Mund sein sollte, rieselt ein endloser Strom an Münzen heraus. Und da ist sie wieder, diese Ohren betäubende, metallische Stimme, die ihn mit Haut und Haaren zu verschlucken droht...
„Hallo Sascha. Du hast vergessen zu bezahlen. Ich bin hier, um die Rechnung zu begleichen!“

„Katsching!“

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