Plastische Chirurgie

Poesie 21. Jan. 2022

Warnung:

Wir erinnern uns daran, dass dies nur eine fiktive Geschichte ist. Der Inhalt soll schockieren, abschrecken und Angst auslösen.  Das Leben ist kostbar. Das Leben ist ein Geschenk und man sollte andere so behandeln, wie man selbst gerne behandelt werden möchte. Mit Respekt, Liebe und Verständnis. Solltest du dunkle Gedanken haben, die dich drohen einzunehmen, dann suche dir bitte Hilfe. Es gibt immer eine helfende Hand, man muss danach nur greifen wollen.

Heute ist es soweit. Ich stehe nackt vor dem Spiegel und sehe mich an. Meine Finger streichen über das zarte, kühle Glas. Nein. Das bin ich nicht. So sehe ich nicht aus. Das ist eine Fehlkonstruktion. Es tut so weh, diesen Körper zu sehen. Ich will ihn nicht. Ich fühle mich hier drin nicht wohl. Das passt gar nicht zu mir. Ich will hier raus!
Warum wurde ich so geboren? Das ist ganz falsch. Dieser Behälter passt nicht zu der Seele, die in ihm gefangen ist. Nicht zu mir. Ich starre mein Spiegelbild an. Diese Kurven, diese Rundungen, die Züge, sie sind mir fremd. Was hat man sich dabei nur gedacht? Ich hätte mich niemals so kreiert. Eine Träne fliesst über die Wange und ein trauriges Gesicht blickt mir entgegen. Warum habe ich mir nicht aussuchen dürfen, wie ich aussehe? Warum darf man den Behälter nicht so gestalten, wie man sich fühlt? Das ist nicht fair.
Die Faust schlägt gegen den Spiegel und Glas zerbricht. Mein Ebenbild ist zerrissen. Gesplittert in so viele Teile und keines davon passt zu mir. Ich kann mich mit keinem davon identifizieren. Alles so falsch. Dieser Körper ist ein Gefängnis. Ich kann mich nicht entfalten, ich kann mich nicht ansehen, ich kann nicht so leben, wie ich es mir wünsche. Es ist Stillstand.
Die Knie werden weich und ich falle. Ich will frei sein, aber diese Haut ist so dick wie ein Panzer. Es gibt kein Entkommen, sie hüllt mich ein. Egal, wie oft ich es versuche, ich bleibe in diesem Körper gefangen. Falsch. Falsch. Falsch. Das ist alles so falsch, so unfair, so gemein. Wer lässt so etwas zu? Warum ausgerechnet ich? Anderen geht es nicht so. Andere haben Glück. Sie sind perfekt, alles passt und ich…  ich bin von Neid zerfressen.
Ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr, aber ich bin nicht schwach genug, dieses Leben zu beenden. Ich will hierbleiben, ich muss kämpfen, irgendwie funktionieren.
Finde dich mit der Situation zurecht oder gehe zu Grunde. Akzeptiere diesen Körper. Versuch jemand  zu sein, der du in Wirklichkeit nicht bist. Du schaffst das. Andere können es auch.
Viele Gedanken, die herumspuken, wenn es dunkel wird. Manchmal höre ich auf sie, aber viel zu selten.

Hannelore ist nun Hans. Sie weint sehr oft in der Nacht. Hannelore gibt sich wirklich mühe, Hans zu sein.

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