Erinnerung – der Fall

Poesie 21. Jan. 2022

Warnung:

Wir erinnern uns daran, dass dies nur eine fiktive Geschichte ist. Der Inhalt soll schockieren, abschrecken und Angst auslösen.  Das Leben ist kostbar. Das Leben ist ein Geschenk und man sollte andere so behandeln, wie man selbst gerne behandelt werden möchte. Mit Respekt, Liebe und Verständnis. Solltest du dunkle Gedanken haben, die dich drohen einzunehmen, dann suche dir bitte Hilfe. Es gibt immer eine helfende Hand, man muss danach nur greifen wollen.

TRIGGERWARNUNG

Fallen. Ich stehe auf einem Gleis. Ich stehe oft hier, warte auf meinen Zug, während viele Züge an mir vorbeirasen. Das sind alles nicht meine Züge. Fahren alle woanders hin und nicht nach Hause. Ich will nach Hause. Zuhause ist da, wo Mauern dir Sicherheit versprechen. Abgeschirmt von der Grausamkeit, getrennt von Menschen, denen man nichts bedeutet und für die man nicht existiert. Zuhause ist da, wo Liebe auf mich wartet. Liebe, die ich nicht verdient habe und dennoch gierig in mich aufsauge. Zuhause ist es schön und ich will nach Hause.

Die Sonne scheint in mein Gesicht, aber ich spüre sie nicht. Meine Haut fühlt sich taub an. Der Körper steht auf beiden Beinen auf dem grauen Asphalt. Vor meinen Füssen ist ein weisser Streifen. Eine Grenze, die man nicht betreten soll. Gefahr. Abgrund. Ende. Auf mir haften viele Augen, Blicke, die sich in mein Fleisch fressen und meine Seele aus ihrer Hülle versuchen zu kratzen. Nein. Ich bin unsichtbar, durchsichtig. Keiner sieht mich. Ein Gesicht von vielen. Keines lächelt, keines strahlt, wir sind matt. Matt und farblos. Aus weiter Ferne sehe ich einen Zug, es ist nicht meiner und doch wünschte ich, er wäre es. Die kleinen Steinchen auf dem Gleis tanzen, das Quietschen von Metall dringt in mein Ohr. Ich starre wieder auf den Streifen. Nur Aufgemalt, eine Barriere, die man mit einem Schritt durchbrechen kann. Meine Zehenspitze berührt ihn sanft, schüchtern, ängstlich. Ich will es so sehr, dass es weh tut in der Brust, aber ich bin feige. Ich kann das nicht tun. Kalte Luft peitscht in mein Gesicht und alles was ich will, ist fallen. Fallen und mit dem Wind davonfliegen. Ins Nichts, auf eine Reise weit weg von hier, weit weg von Zuhause.

Es wird still. Die Leiber fangen an sich zu bewegen. Ich ordne mich ihnen unter. Wir sind viele und doch sind wir nichts.
Ich will fallen und steige trotzdem in den Zug nach Hause.

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