Dark Fantasy Autor

kontroverse Geschichten 15. Juli 2023

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Eventuelle Ähnlichkeiten mit realen Personen sind zufällig. Die Geschichte ist rein fiktiv.

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“Wie würdest du nun reagieren, wenn ich dir schreibe, dass ich nackt im Bett liege?”

“Mittlerweile bist Du sicher wieder angezogen.”

“Gib mir eine Antwort, mit der ich was anfangen kann, Schatz.”

“Mir würde der Atem stocken, bei dem Gedanken, wie Du Dich da in den Laken räkelst…”

Seine Worte… bringen mich nicht nur um den Verstand, nein, sie bringen mich um. Ganz langsam, denn so ist der kleine Tod, wenn er immer näher rückt, bis er einen über die Klippe hinunter und in den freien Fall hinein stößt. Und für ihn falle ich. Liebend gern.

Doch angefangen hat es ganz anders. Naja. Vielleicht nicht ganz anders, aber anders.

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Einen Monat zuvor.

Ich sitze nun öfter in irgendwelchen „Calls“ herum. Sogenannte online Quatschrunden. Wir haben so einen kleinen Buchclub, besser gesagt, wir haben so einen kleinen Buchclub gegründet, eine sehr gute Freundin und ich und zwei Kerle sind auch dabei. In dem Buchclub geht es aber nur selten um Bücher. Wir reden über Gott und die Welt. Und irgendwie tut mir das gut. Es lenkt mich ab. Und das obwohl ich sonst eher die klassische Einzelgängerin bin, die jedes Gespräch scheut. Ein klassischer einsamer Wolf. Doch in letzter Zeit brauche ich das. Dass man mit mir redet. Mich abholt. Mich ein bisschen aus dem Grau herausholt, in das ich immer tiefer hinab gleite. Es ist trist geworden. Ich weiß nicht genau, wieso und weshalb. Aber es ist trist geworden. Mein Leben. Mein Job. Ich selbst. Etwas fehlt und ich kann nicht genau benennen, was dieses „etwas“ sein soll. Komisch, oder? Eigentlich sollte man doch wissen, warum es einem nicht gut geht und bestenfalls etwas (haha, schon wieder dieses Wort) daran ändern. Nicht so ich. Ich denke einfach: „Ach, das wird schon wieder“ - schließlich ist es immer irgendwie wieder geworden. Warum sollte es diesmal also anders sein? Ja, warum? Warum…

Diese Frage beschäftigt mich, als ich mich mit dem Kopf klangheimlich aus dem Gespräch ausklinke, und während die anderen über irgendetwas diskutieren, wahllos im Internet herumsurfe. Auf irgendwelchen Seiten herum klicke. Bildchen angucke. Artikel lese. Und das tue ich solange, bis ich auf der Plattform Instagram über ein Profil stolpere, über das ich schon einmal gestolpert bin. Nicht per Zufall, so wie jetzt, nein

Kleine Rückblende an dieser Stelle: Das erste Mal, als ich mich durch dieses Profil gewütet habe, war es wissentlich gewesen. Aus Neugier. Ich bin generell ein neugieriger Mensch. Wolf. Wölfin. Was auch immer.

Jedenfalls - meine Freundin, nennen wir sie einmal Hekate (die mit mir in diesem Buchclub-„Call“ ist und just in diesem Moment scharf mit den anderen zwei Jungs über Kakao-Zeremonien und Co. diskutiert) hat mich auf dieses Profil aufmerksam gemacht. Vor Tagen schon. Dieser “Jemand” folge ihrem Profil (auf Instagram nennt man das so)und seine Posts (Beiträge - Mann, Socialmedia ist total kompliziert, egal) wären sehr interessant.

Hier muss ich noch einfügen: Hekate und ich, wir sind beide „Hobby Autorinnen", die es irgendwann, wenn’s klappt, einmal zu richtigen Autoren bringen wollen, und auf Instagram gibt es einige, die denselben Wunsch teilen. So auch er, dessen Profil so interessant sei.

Auf den ersten Blick sieht sein Profil einfach nur düster aus. Die Farbe schwarz zieht sich durch seine komplette Seite sowie durch sämtliche seiner Beiträge. Passend dazu hat “Er” sich selbst den schlichten Namen „Dark Fantasy Autor“ verpasst und scheint diesem Pseudonym alle Ehre machen zu wollen. Und ja, ich musste Hekate an diesem Tag, als sie mir dieses Profil zum ersten Mal gezeigt hatte, zustimmen, dass dieser „Dark Fantasy Autor“ durchaus interessante Beiträge auf seinem Profil habe und ich verstehe, warum sie diesem Typen folge.

Bloß,… als ich mir einige dieser interessanten Beiträge zu Gemüte geführt und auch einen Blick in die Stories (auch so ein Instagram-Ding) geworfen habe, wurde ich schlagartig stutzig. Sämtliche Stirnfalten waren gerunzelt, der Mund zu einem biestigen Lächeln verzogen, denn irgendwie hatten alle seine Beiträge sowie seine Stories für mein Empfinden eine starke weibliche Note.

Sei es die Art wie “er” seine Beiträge verfasst, oder die Dekoration auf seinem Schreibtisch, generell die komplette Inneneinrichtung, die man auf den selten vorhandenen Fotos zwischen all dem Schwarz zu Gesicht bekommt, oder die Tatsache, dass mein Bauchgefühl schlichtweg der Meinung war, dass hier etwas einfach nicht stimmen kann.
„Das ist kein Kerl“ - war mein erster Gedanke und dieser hielt oder hält sich noch immer hartnäckig unter meiner Kopfrinde und das obwohl mir Hekate gesagt hatte, dass Dark (ich nenne ihn nun einfach mal so) ihr geschrieben habe, dass er ein Mann wäre, nachdem sie ihn selbst versehentlich für eine Frau gehalten habe).

Tja. Was soll man dazu noch sagen? Zwei Frauen halten einen Mann für eine Frau. Also muss an meinem Hirngespinst doch was dran sein. Zwei Frauen können sich schließlich nicht täuschen, oder?! Ha!

Aber warum sollte sich eine Frau im Internet als Mann ausgeben? Eventuell, um einen gewissen Eindruck zu erzielen? Keine Ahnung, welchen. Vielleicht erhofft sie sich davon, dass ihre Geschichten anders ankommen? Düsterer? Unheimlicher? Rabiater? Männlicher? Wer weiß. Ein Geheimnis, dass es zu lüften gäbe und irgendwie… habe ich Blut geleckt.

Ja. Blut. Oder es ist der derzeitigen Langeweile geschuldet, dass ich jetzt schon wieder auf Dark’s Profil herum geistere und plötzlich an einem Beitrag hängen bleibe, der mich nicht mehr loslässt. Meine Augen kleben förmlich an der unspektakulären „Kinderzeichnung“, die Dark selbst angefertigt haben soll. Es ist nicht viel zu sehen, nur ein paar Strichmännchen verteilt auf einem Blatt Papier und eins der Strichmännchen hat Brüste.

Der Sherlock in mir hält das selbstverständlich für einen bedeutsamen Hinweis. Ist das etwa ein indirektes Outing, Frau Dark?! Wobei nein, „Herr“ Dark will bestimmt nicht, dass seine Tarnung auffliegt. Das wäre ja kontraproduktiv. Dennoch. Die mit Bleistift gekritzelten Brüste lassen mich, ich muss völlig bekloppt sein, nicht mehr los. Vielleicht ist es einfach zu spät, um noch klar denken zu können oder es liegt an der Hitze in meinem Zimmer, aber irgendetwas reizt mich unwillkürlich, einen blöden Kommentar unter diesen Beitrag zu platzieren. Und zwar jetzt. Sofort.

Was ich auch tue. Meine Finger gleiten wie automatisch über die Tastatur. Mein Hirn lehnt sich zurück und lässt die hinterlistigen Dinger einfach machen und Hekate und die Jungs kichern im Hintergrund über irgendetwas, was ich nicht mitbekommen habe.

Als ich den Kommentar verschicke und er schlussendlich unter dem Foto der Kinderzeichnung auftaucht, weiß ich, dass ich mit so einem plumpen Kommentar das Rätsel um das Innenleben von Dark’s Hose nicht lösen können würde. Ich meine, kreativ ist der Kommentar “Hat das eine Strichmännchen da etwa Brüste?” nicht sonderlich. Tatsächlich ist der Kommentar mehr peinlich, als geschickt platziert und enthält so wenig Raffinesse, dass ich mich schämen sollte, so etwas ins große weite Internet hinaus zu prusten. Mia, das kannst du doch sonst besser? So wird das definitiv nichts mit deiner Karriere als Detektivin. Da reicht’s wohl auch nur zur “Hobby-Detektivin”.

Frustriert lehne ich mich in meinem Bürostuhl zurück und spiele lustlos mit dem Träger meines knallpinken Bikini-Oberteils herum. Strandurlaub kann ich mir mit meinem kümmerlichen Brotjob-Lohn nicht leisten, weshalb ich Zuhause versuche, ein bisschen “Urlaub” zwischen meine vier düsteren Wände zu bringen - auch wenn dieser “Urlaub” nur aus mit Bikinioberteil und kurzen Shorts vor dem Computer sitzen besteht. Dazu hin und wieder die Füße in ein kleines Plastikbecken mit kühlem Wasser eintauchen und sich vom Ventilator in den Nacken pusten lassen.

Gerade als ich mich wieder ins Gespräch einbringen will, funkt eine Nachricht von Dark dazwischen. Und ich, als hätte ich nur auf diese Nachricht gewartet, und das sehnlichst, schrecke wie eine Irre von meinem Stuhl hoch.

Dark’s Antwort auf meinen plumpen Kommentar wirkt genauso verpeilt, wie ich mich gerade fühle.

“Keine Ahnung, du etwa?”

Was meint er denn damit? Ob ich Brüste habe? Klar habe ich Brüste. Diese sieht man nur nicht auf meinem Instagram-Profil, weil ich genauso verschlossen bin wie Dark, was das Teilen von persönlichen Fotos betrifft. Aber gut, ich lasse mich gerne auf eine solche Diskussion ein. Reden wir also über Brüste. Manchmal muss man halt eben in das Grab springen, das man sich selbst geschaufelt hat. Und mir ist zufällig nach ein bisschen Tod und Mordschlag.


DARK
"Keine Ahnung, du etwa?"

Schädelspalter-Nachtfalter
“Klar doch”

DARK
"Klar doch?"

Schädelspalter-Nachtfalter
"Warum sollte ich keine Brüste haben?"

DARK
"Huch."
"Ok, das sollte eigentlich ein Kommentar werden, keine Privatnachricht. Sorry."

Schädelspalter-Nachtfalter
"Passiert mir auch immer wieder. Aber ich bin natürlich nun enttäuscht, dass du nicht über meine Brüste mit mir quatschen willst."

DARK
"Na ja, also ... ähm ... was gibt es zu dem Thema denn zu besprechen?"

Schädelspalter-Nachtfalter
"Gute Frage.... die sind halt irgendwie... einfach da."

DARK
"Da bist Du wirklich zu beglückwünschen ... muss toll sein."

Schädelspalter-Nachtfalter
"Lass dir doch auch welche wachsen."

DARK
"Ja, weiß nicht - wär irgendwie nicht dasselbe. War eine tolle Unterhaltung. Echt ein idealer Icebreaker."

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