Schmutziger Oktober - Trip

Schmutziger Oktober 8. Okt. 2022

Drei Jahre zuvor

„Es ist eigentlich ganz einfach“, beginne ich und breite die ausgedruckte Karte von der Gegend auf unseren Beinen aus. Hoku und ich sitzen nebeneinander auf dem Bett in unserer neuen Wohnung, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Bad. Eigentlich ist die Bude langfristig zu teuer für uns beide, aber notwendig für den Plan und wenn der Plan aufgeht, spielt Geld sowieso bald keine Rolle mehr.

„Hier sind wir, richtig?“, Hoku tippt mit seinem Finger auf das rote Kreuz auf der Karte, das unsere Wohnung markiert.

„Richtig“, bestätige ich und platziere meinen Finger auf das zweite rote Kreuz. „Und hier wohnt Rachel zusammen mit ihren Eltern und Cleopatra.“

Hoku’s Blick folgt meinem Finger, dann nickt mein Mitbewohner einmal, ehe er einen Schluck von seiner Bierflasche nimmt und sie mir reicht, damit ich es ihm gleich tun kann. Ich nehme die Flasche zwar an mich, stelle sie aber auf dem Nachttisch ab, ohne die Lippen anzusetzen.

„Wir brauchen für den Plan einfache Routinen, die wir ein Jahr lang ohne Probleme beibehalten und auch weiterführen können, sobald wir den Vogel im Käfig haben.“

Mit dem Vogel ist Rachel gemeint und mit Routinen gut strukturierte Tagesabläufe, die immer nach dem gleichen Schema ablaufen. Unsere Schritte sollen vorhersehbar, einprägsam und alltäglich sowie normal sein. Was so viel bedeutet, dass wir uns wohl oder übel in unserer neuen Nachbarschaft integrieren müssen. Alle sollen uns kennen oder zumindest gesehen oder im Kopf haben.

„Das heißt für dich, dass du dich im Fitnessstudio anmelden wirst und du wirst dein Fitnessprogramm selbstverständlich so zusammenstellen, dass dein Programm mit dem von Cleopatras harmoniert. Außerdem dürfen wir dabei nicht Rachel‘s Gewohnheiten außer Acht lassen. Die sind wichtig, gar essentiell, damit unser Plan funktioniert. Wir müssen das Mädchen in- und auswendig kennen und auch in der Lage sein, ihre Schritte vorherzusehen und bestens vertraut sein mit ihren Verhaltensweisen und Tagesabläufen. Aber dazu später mehr im Detail - ich habe alle Informationen, die ich durch meine kleine Internet-Freundschaft mit ihr über sie sammeln konnte, bereits für dich zusammengestellt und ausgedruckt und du wirst sie auswendig lernen müssen. Ich für meinen Teil werde als Kammerjäger und Allrounder hier in der Gegend anfangen. Ich lege mir einen Kleintransporter zu und fahre täglich dieselben Routen ab. Im Prinzip machen wir ein Jahr lang immer das Gleiche und weichen nicht von unserer Norm ab. Und wenn wir Rachel haben, führen wir das genauso fort“, ich lege eine kurze Atempause ein und sehe Hoku von der Seite an. Dieser blickt immer noch konzentriert auf die Karte auf unserem Schoß. Sehr gut. Er nimmt die Sache zumindest ernst.

„Und ich werde ein Alibi brauchen, weil ich sie entführen werde. Was im Umkehrschluss heißt, ich werde, um ein gutes Alibi vorweisen zu können, eine Nutte vögeln. Und ich vögele diese regelmäßig. Immer am gleichen Tag, um die gleiche Uhrzeit. Die Nutte wird also mein Alibi sein für den Tag der Entführung“, wiederhole ich und merke, wie sich allein bei der Vorstellung bereits meine Fußnägeln vor Abscheu an den Enden anfangen kringeln.

„Wahrscheinlich werde ich auf den Straßenstrich ausweichen müssen, weil eine Nutte vom Strich wesentlich günstiger ist. Wenn ich eine Nutte vom Straßenstrich nehme, sind es vielleicht auch wechselnde Nutten, aber das macht nichts. Nutten plaudern untereinander. Man wird sich also sowieso an mich erinnern, wenn ich immer zur gleichen Uhrzeit und am gleichen Tag in der Woche dort aufkreuze und viel Trinkgeld springen lasse. Oder irgendeinen Fetisch ausleben will, der von dem üblichen 0815-Standard-Kram irgendwie abweicht. Und selbstverständlich werde ich die Nutte weitervögeln, sobald das Vögelchen im Käfig ist. Das ist essentiell. Wir müssen in unserer Routine bleiben, Hoku, komme was wolle“, ich tippe ein paar Mal mit dem Finger auf der Karte herum und sehe Hoku dabei ernst an.

„Außerdem habe ich mir überlegt, dass wir Rachel eine Betäubung verpassen, die sie für ein paar Stunden außer Gefecht setzen wird. Also - ich meine natürlich ich. Ich werde sie ausknocken, sie in den Transporter packen und mit ihr hinten drin meine übliche Strecke abfahren und dabei zu meiner Nutte fahren für das Alibi. Du befindest dich zum Zeitpunkt der Entführung im Fitnessstudio. Und, Hoku?“
„Ja?“
„Wir müssen uns jeden Tag mit unseren Handys Nachrichten hin- und her schicken. Eine davon wird lauten - sie ist auf dem Weg. Sonst fällt diese Abweichung womöglich am Tag der Entführung auf, außerdem können wir keine Walkie-Talkies für dieses Unterfangen benutzen. Wir kommunizieren immer und ausnahmslos über unsere Handys. Und wir sprechen unsere Nachrichten miteinander ab. Das ist wichtig. Verstanden?“
„So weit ja. Ganz schön aufwändig, dein Plan. Meinst du, das alles ist wirklich notwendig, um eine zu entführen?“, merkt Hoku an und schürzt frustriert die Lippen.
„Natürlich ist das notwendig. Ich versuche damit unsere Ärsche vor einem One-Way-Trip in den Knast zu bewahren“, sage ich und blicke auf die Karte hinab, auf der ich einige Routen gelb eingezeichnet und wichtige Orte rot markiert habe.

Hoku verpasst mir einen kleinen Schubs mit seinem Ellenbogen. „Und die Sache mit den Nutten, sag mal, wie willst du das denn finanzieren? Der Spaß ist teuer und wir sind ziemlich blank.“
„Ich habe ein bisschen was angespart über die Jahre.“
„Und du hast da wirklich Bock drauf?“
„Die Nutten zu vögeln, meinst du?“
„Unteranderem?“
„Ich vögele lieber Nutten, als mir eine Alibi-Freundin zuzulegen. Das ist mehr so dein Ding.“
Hoku fängt neben mir an zu lachen. „Du meinst Beziehungen sind mehr so mein Ding? Ja?“
Ich seufze. „Irgendeiner von uns beiden muss in den sauren Apfel beißen, tja, und da ich das Ganze geplant habe, bekomme ich die Nutten und du die Freundin.“


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