Nero, der Alpha - 21
Ich bin doch schneller eingeschlafen, als gedacht, denn als ich die Augen öffne, ist es nachtschwarz in Neros Zimmer. Lediglich sanfter Lichtstrahl, der aus dem Badezimmer herführt, durchbricht die Dunkelheit. Es ist ruhig, bis auf das sanfte Rauschen der Dusche. Nero ist wohl zurückgekehrt. Und offensichtlich duscht er. Nackt. Natürlich duscht er nackt. Bist du blöd Rika? Ich ziehe, mich selbst verfluchend, die Wolldecke enger um mich und als ich nochmals schüchtern Richtung Bad blicke, bemerke ich, dass das Licht nicht unter der Tür hindurch in den Raum fällt, sondern dass die Tür zum Bad einen Spalt breit offen steht und sich das Licht durch die dünne Spalte in den Raum schleicht. Nero hat nicht abgeschlossen.
Ich blinzle erstaunt. Na gut. Vielleicht träume ich auch nur. Ich meine, warum sollte so einer wie Nero, so unnahbar, kalkuliert, eiskalt und eigen, mit offener Tür duschen? Schliesslich könnte ich mich mit einer Waffe an ihn heranschleichen, während er völlig nackt und abgelenkt unter der Dusche steht und ihn dann hinterrücks überrumpeln, weil er mich wahrscheinlich nicht einmal kommen hören würde. Zumindest in der Theorie. In der Praxis hätte ich natürlich keine Chance gegen so einen Mann wie Nero. Selbst nicht mit Waffe.
Aus Jux zwicke ich mir in den Oberarm. Aua, tut weh, also definitiv kein Traum. Und prompt freut sich mein doofer, hinterhältiger Körper diebisch. Nicht, weil ich mich mit einer Waffe hinter Nero stehen sehe. Nein, mein Kopf zaubert mir andere Bilder in den Kopf, die meine Libido schnurstraks verrückt spielen lassen. Das muss doch einen Grund haben, warum Nero die Tür offen gelassen hat. Will er etwa…. nein, Rika. Du bist doch gar nicht so pervers. Außerdem würde er das nicht wollen. Unmöglich. Aber… sollte ich es trotzdem riskieren? Ein bisschen Mäuschen spielen? Wie in so einem blöden Porno und einfach nachgucken gehen? Meine Vernunft schreit nein, aber meine Libido? Die spricht eine ganz andere Sprache. Gott Rika, das würde nicht nur Konsequenzen nach sich ziehen, sondern Eisblöcke auf dich hinunter hageln. Andererseits bin ich ja jetzt ein Lehrling und nicht mehr nur “Ware”. Gibt es dann überhaupt noch Konsequenzen für mich?
Außerdem… wenn ich leise genug bin, würde er es bestimmt nicht bemerken, wenn ich durch die Türspalte gucke und…nein, Rika. Du bist doch keine Spannerin! Doch bevor ich den Streit in meinem Innern überhaupt ausfechten und zu einem für alle Parteien zufriedenstellenden Ergebnis kommen kann, macht sich ein Teil von mir selbstständig und befreit sich aus der Wolldecke. Dann setze ich mich aufrecht hin und versuche im Dunkeln zu erkennen, ob die Hunde wach sind. Stellt sich aber als ein Ding der Unmöglichkeit heraus, weil es viel zu dunkel ist. Manno, was mache ich denn da überhaupt? Alles auf eine Karte setzen? Das ist so dumm, naiv und bescheuert. Und obwohl ich es eigentlich besser weiss, stehe ich vom Bett auf und schleiche ich mich auf leisen Sohlen vorsichtig an den Hunden vorbei, die auf dem Boden liegen. Keiner der Bestien reagiert. Vielleicht sind sie immer noch weggetreten? Gut für mich!
Als ich vor der Tür ankomme, klopft mein Herz so schnell und laut wie eine Trommel im tiefsten Dschungel und ich bin ernsthaft verwundert, dass das blöde Ding keiner außer mir hören kann und mir ist so warm, dass ich mir beinahe sicher bin, dass irgendjemand heimlich die Zimmertemperatur hochgestellt haben muss, denn vorhin war mir noch kalt.
Ich lehne mich gegen die Wand neben der Tür. Atme so schwer, als hätte ich gerade eine Stunde Hochleistungssport hinter mir. Okay, Rika. Nur einen einzigen Blick, mehr nicht und dann schnell ab zurück ins Bett und so tun, als wäre nie irgendwas gewesen und als wärst du nicht pervers. Guter Plan. Ein Blick kann nicht schaden. Nur zwei Sekunden. Oder eine. Maximal eine. Eine ist gut. Das ist zu verzeihen. Ich halte die Luft an und lehne mich zur Tür vor, um durch den Spalt hindurch zu linsen und… wow. Feuer. Es brennt. Lichterloh. Zwischen meinen Beinen bricht ein gewaltiges Inferno aus. Ein verheerender Brand, den nur ein einziger Feuerwehrmann zu löschen vermag. Und dieser Feuerwehrmann steht splitternackt unter der Dusche, sein schönes und makelloses Gesicht ist hinter den nassen, widerspenstigen Haaren versteckt. Das Wasser prasselt auf seinen athletischen und angespannten Körper hinab und bringt die definierten Muskelstränge regelrecht zum Glänzen. Der Alpha stützt sich mit einer Hand an dem weißen Marmor ab, während die andere Hand… ich muss schlucken. “Oh Gott…”, flüstere ich und merke, wie das Kribbeln zwischen meinen Beinen zu einem Bienenschwarm anschwillt. Mich allmählich um den Verstand bringt, denn mein Feuerwehrmann erschafft sich gerade Erleichterung. Vor meinen Augen. In der Dusche. Von wegen nur eine Sekunde. Ich kann meinen Blick nicht mehr von ihm lösen und von dem, was er tut. Schon gar nicht, als er den Kopf in den Nacken wirft und sich die Haare aus dem Gesicht streift. Die eiskalten, hellblauen Augen sind geschlossen, der Mund vor Erregung leicht geöffnet. Dann beschleunigt er das Tempo von seiner Hand. Wird grob, massiert die Erektion mit einem festen Griff, als wollte er sein raues und animalisches Naturell zur Schau stellen und gnadenlos an sich auslassen. Ich erwische mich dabei, wie ich mir vor Hunger auf diesen Mann über die Lippen lecke. Meine Hand gleitet wie automatisch nach unten zwischen meine Beine, als würde sie von einer unsichtbaren Macht angezogen werden. Vielleicht stehe ich unter Hypnose oder ich bin einfach nur verrückt, denn als mein Finger die vor Lust pochende Stelle berührt, bin so feucht, als würde ich in diesem Augenblick mit Nero unter der Dusche stehen. Und wie gerne würde ich gerade wirklich mit ihm unter der Dusche stehen. Ich will diesen Mann haben. Ich will ihn spüren, von ihm berührt werden, egal wie grob er zu mir wäre. Und wie grausam er bisher zu mir war. Ich würde es aushalten. Ich würde es wollen. Stockholm-Syndrom-Rika. Ich bin machtlos dagegen. Der Mann ist so faszinierend, so anders, so wunderschön und selbst die Narben auf seinem Rücken können mich in diesem Moment nicht abschrecken. Unzählige feuerrote Striemen zieren seine Rückseite und an seinen Oberschenkeln dasselbe. Das kann nur eins bedeuten. Er geißelt sich selbst. Er geißelt sich wirklich mit diesen Büssergurten selbst. Für das, was er tut. Und irgendwie macht mich das auf eine sonderbare Art und Weise nur noch mehr an. Keine Ahnung wieso, vielleicht weil ich komplett Plemplem bin und an nichts anderes denken kann, als jetzt diese Tür zu öffnen und zu ihm unter die Dusche zu treten. Als hätte Nero meine Gedanken gelesen, lässt er für einen Augenblick seinen Schwanz los, so dass ich ihn in seiner vollen Größe bewundern kann. Und er ist groß. Dick. Mächtig und unbändig wie sein Besitzer. Ich habe mich immer vor Schwänzen geekelt, aber Neros löst ganz andere Gefühle in mir aus. Ich will von ihm ausgefüllt und gedehnt werden. Wie ein Urinstinkt der plötzlich in mir entfacht ist. Und dann passiert etwas, dass ich so nicht erwartet hätte. Nero sinkt unerwartet in die Knie und statt sich weiter zu befriedigen, faltet er die Hände auf seinem Schoß zusammen und fängt an zu… Betet er etwa? Was?
Irritiert ziehe ich meine Hand zurück und spüre kurz darauf etwas Warmes an meinem Oberschenkel. Als ich daraufhin panisch an mir herunter blicke und Tugas feuchte Schnauze drängend zwischen meinen Oberschenkel entdecke, erschrecke ich mich so sehr, dass ich beinahe ein Geräusch von mir gegeben hätte. Aus Reflex drücke ich Tugas Schnauze von mir weg. Und anders als Kyr weicht Tuga auch tatsächlich von mir zurück und setzt sich sogar brav vor mich hin. Durch den schmalen Lichtstrahl kann ich Tugas hellblaue Augen erkennen, die mich erwartungsvoll ansehen. Ich schüttle mit dem Kopf, forme mit meinem Mund ein lautloses “Nein”, strecke auch noch meinen Zeigefinger in die Höhe, um ihn langsam von rechts nach links zu schwenken, als würde ich ein kleines Kind für etwas tadeln wollen. Aber der Hund sieht mich weiterhin fragend sowie erwartungsvoll an. Was will der denn jetzt von mir? Will er etwa? Nein. Nein. Ich presse meine Beine ganz fest aneinander und ziehe das T-Shirt runter, damit der Hund mich irgendwie versteht, ohne, dass ich etwas sagen muss und er anhand meiner Reaktion ablesen kann, dass ich sowas nicht will. Sowas nicht in Frage kommt. Niemals. Zumindest niemals freiwillig.
Mein Blick flüchtet zurück zum Türspalt, um zu überprüfen, was Nero macht. Ein Fehler. Der Alpha hat sich wieder aufgerichtet und angefangen sich einzuseifen. Seine Hände verteilen die Seife gemächlich auf seinem Körper und als er sich zwischen die Beine greift, um da weiterzumachen, wo er aufgehört hat, sterbe ich tausend Tode vor der Tür. Warum muss er dabei so unglaublich gut aussehen. Das ist so unfair. So verdammt unfair. Tuga gibt ein leises Fiepen von sich, um meine Aufmerksamkeit von Nero wieder auf sich zu lenken und als er hat, was er will, hintergeht mich der blöde Hund einfach in dem er mit seiner Schnauze die Tür zum Badezimmer aufstösst. Ich kann gerade noch rechtzeitig hinter der Tür in Sicherheit springen. Hoffe ich zumindest. Falls nicht dann… ich will gar nicht daran denken.
Dann geht natürlich und ausgerechnet die blöde Dusche aus und mit der Dusche bleibt auch mein Herz stehen. Zumindest gefühlt, denn das ist gar nicht gut. Ganz und gar nicht gut. Hat Nero mich etwa doch gesehen? Mehr Licht fällt in den Raum und gibt die Sicht frei auf Farg, Zor und Kyr, die allesamt anprangernd in meine Richtung blicken. Diese miesen Verräter. Ich muss hier weg. So leise und schnell wie möglich versuche ich zum Bett zu tapsen, doch auf halben Weg packt mich Nero am Arm und zieht mich schwungvoll zu sich ran. Er ist nass, die Haare tropfen, seine Wangen sind leicht gerötet und seine Hand an meinem Arm ist eiskalt. Hat er kalt geduscht oder ist der Mann immer eiskalt? Ehe ich mir über die Antwort auf diese Frage Gedanken machen kann, lenkt meine Libido meinen Fokus auf das Handtuch um seine Hüfte und die kaum übersehbare Beule, die sich darunter abzeichnet. Der Alpha ist nicht zum Abschluss gekommen. Immer noch geladen. Oh Gott, blende es aus. Denk nicht einmal daran.
„Hast du versucht abzuhauen?“, knurrt Nero erbost und wirkt mit dem Licht in seinem Rücken und der Dunkelheit um uns herum noch bedrohlicher als sonst. Rika, du musst dir verdammt schnell etwas einfallen lassen. Sonst…
„Ich…“, stammle ich verlegen.
„Du?“, wiederholt Nero mit Nachdruck und verstärkt den Griff um meinen Arm, so dass es wehtut.
„Wollte nur auf die Toilette und… du hast vergessen… die Tür abzuschließen und...“
Schlagartig lässt mich Nero los. Toll, Rika. Jetzt hast du ihn verlegen gemacht. Das gibt ganz bestimmt Konsequenzen.
„Geh“, quetscht Nero unter zusammengepressten Lippen hervor und dreht sich so provokant von mir weg, als wäre ihm ebenfalls aufgefallen, dass man seine Erektion durch das Handtuch sehen kann.
„Tut mir leid“, entschuldige ich mich kleinlaut und sprinte wie ein Reh auf der Flucht an ihm vorbei ins Bad. Ich schließe die Tür hinter mir ab und lasse mich auf den Boden fallen. Der Geruch von Tanne und Sandelholz liegt in der Luft. Und der Gestank der Schande, der von mir ausgeht, gesellt sich dazu. Ich hasse mich. Ich hasse mich. Ich hasse mich. Das war so eine blöde Aktion von dir, Rika! Schäm dich!
Nach ein paar Minuten drücke die Toilettenspülung hinunter und schließe die Tür wieder auf. Gerade rechtzeitig um Zeugin davon zu werden, wie Nero sich zwischen Ignar und Farg auf den Boden legt und dem verletzten Hund einen sanften und liebevollen Kuss auf den Kopf gibt. Okay, das ist süß und verdammt wie gerne würde ich jetzt mit Ignar tauschen. Doch sowas habe ich nicht verdient. Nicht nach meiner frevelhaften Spannerei. Farg schmiegt sich an den Alpha, der sich in der Zwischenzeit, als ich im Bad war, wieder angezogen hat. Jogginghose und Pullover, lediglich die Haare sind noch feucht. Zor und Kyr kuscheln sich ebenfalls zu den anderen und auch Tuga schließt sich an. Das Rudel vereint wie eine Familie. Nur Drae fehlt. Und das einzig allein wegen mir.