Nero, der Alpha - 20

Nero, der Alpha 28. Jan. 2022

Ich bin so tief in Gedanken versunken, dass ich erst bemerke, dass Nero vor mir steht, als er mir etwas vor die Nase hält. Ich identifiziere das Etwas als das Kleid, das ich an dem Tag getragen habe, als ich ihm zum ersten Mal begegnet und hinter seiner Tür gelandet bin. Es ist fliederfarben und duftet noch immer nach meinem Parfüm. Eine Mischung aus Lavendel und Vanille. Als er mir auch mein weißes Baumwollhöschen und den weißen BH mit Spitze reicht, sowie die weissen Söckchen und die Ballerinas kommen mir die Tränen. Meine Sachen. Oh Gott, meine Sachen. Ich klammere mich an die Kleidung, als wäre sie eine geliebte Person, die ich schon lange nicht mehr gesehen und sehr vermisst habe.
“Ich habe nichts davon gewaschen. Falls du…”
Ich schüttle mit dem Kopf und falle ihm ins Wort. “Nicht notwendig. Nicht waschen.”
Nero verzieht keine Miene. Er holt sein Handy aus der Jogginghose, tippt darauf herum und reicht es mir anschließend. „Gehört für die 60 Tage dir. Alle wichtigen Nummern sind darauf gespeichert. Das Passwort für den Internetzugang wechselt täglich und alles, was du damit machst, wird überwacht. Ich empfehle dir also nicht, auf dumme Gedanken zu kommen.“
„Du gibst mir dein Handy?“, frage ich blinzelnd und werfe einen Blick auf das Display. Es sind nur die Standard Apps darauf installiert. Der Blümchenhintergrund irritiert mich ein wenig, passt irgendwie nicht so wirklich zu einem Mann wie Nero.
„Alle Handys sind identisch hier“, erklärt Nero und holt aus der anderen Hosentasche sein eigenes heraus. Oh. Das erklärt natürlich so einiges. Momentmal. Hat er meinem Handy extra einen Blümchenhintergrund verpasst? Prompt muss ich wieder an die Erdbeermarmelade denken. Vielleicht achtet Nero wirklich auf so Kleinigkeiten wie Erdbeeren und Blümchen oder mein doofes Hirn will mich nur wieder einmal mehr quälen und sucht verzweifelt nach Dingen, die Hoffnung schüren, dass mich dieser Mann vielleicht doch nicht so sehr hasst, wie es den Anschein macht. Was ist, wenn er mich sogar mag und es einfach nicht zeigen kann? Gott, Rika! Hör auf damit, dir etwas vorzumachen. Sofort!
„Achso“ sage ich kleinlaut. Zu gerne hätte ich einen Blick auf den Bildschirmhintergrund von Neros Handy geworfen. Wahrscheinlich schwarz oder vielleicht ein Foto von Drae. Eher letzteres.
„Eigentlich würde dir dieser auch zustehen“, der Alpha krempelt den Ärmel seines Pullovers zurück und zaubert aus seiner Hose einen kleinen Schlüsselbund heraus, an dem mehrere Schlüssel hängen. Einen davon nimmt er zwischen Daumen und Zeigefinger und präsentiert ihn mir. „Aber ich traue dir nicht. Nicht im Geringsten.“
Ich schaue auf den schwarzen Schlüssel und frage mich, ob sich Tür 16 auch mit einer Haarnadel öffnen lassen würde. Wahrscheinlich nicht. Ist bestimmt so ein superkrasses Sicherheitsschloss.
„Dann behalt ihn doch“, schlage ich Nero vor und bringe seine Mundwinkel mit der Aussage zum Zucken. „Werde ich“, bestätigt er mir. Der Schlüsselbund wandert zurück zum Ursprungsort. „Wir haben morgen so einiges vor. Ich zeige dir das Etablissement und wir besorgen dir für die 60 Tage alles, was du benötigst. Das heißt, wir gehen einkaufen. Die Chefetage hat dir ein Budget von 1300 Euro zur Verfügung gestellt, davon sollen wir dir Kleidung und ‚Wohlfühlartikel‘ kaufen“, Nero verdreht genervt die Augen. „Wohlfühlartikel?“, wiederhole ich fragend und ziehe die Stirn in Falten. Was soll ich denn darunter bitte verstehen?
„Alles, was du brauchst, damit du dich in unserem ach so geliebten Etablissement einigermassen wohl fühlst, schätze ich“, sein Tonfall passt sich seiner miesen Stimmung an. „Ich leite dir die SMS von Green weiter. Morgen. Ich brauche Schlaf und du auch. Also komm mit.“
Ich bezweifle, dass ich nach allem, was heute passiert ist, auch nur ein Auge zubekommen werde. Trotzdem folge ich ihm den Flur hinunter. Vorbei am roten Zimmer, in dem die Frauen noch immer wie Zombies dahinvegetieren, als wäre gar nichts vorgefallen. Wir passieren auch den Duschraum und direkt dahinter ist sie. Die schwarze Tür, die zu Neros Zimmer führt. Ich bemerke ein kurzes Zögern, bevor er die Klinke herunter drückt und die Pforte zu seinem Reich für mich öffnet. Irgendetwas sagt mir, dass ich wirklich die erste Frau sein werde, die jemals dieses Zimmer betritt und als ich sehe, was sich hinter der pechschwarzen Tür verbirgt, weiß ich auch wieso. Mir fallen die Augen aus den Höhlen. Ich weiss nicht genau, was ich erwartet habe, aber jedenfalls nicht das, was sich vor mir offenbart. Ganz und gar nicht das.
Das Erste, worauf mein Blick fällt, verpasst mir bereits eine Gänsehaut. Ein riesiges Kruzifix aus dunklem Holz. Es ist über dem Bett angebracht, die Inschrift I.N.R.I. ist golden. Nero hat einen gekreuzigten Jesus über dem Bett? Ist dieser sadistische Mann etwa religiös? Kneift mich bitte einmal einer? Das riesige Bett ist bestückt mit schwarzen Laken und dunkelbraunen Schaffellen. Auch die Kissen sind schwarz. Am Fußende des Bettes entdecke ich eine zum Quadrat gefaltete schwarze Wolldecke und auf der Wolldecke stapeln sich drei dicke Bücher, die alt aussehen und bei denen es sich vermutlich doch tatsächlich um Bibeln handeln könnte. Der Boden ist ausgelegt mit einem weichen beigefarbenen Teppich und überall auf dem Teppich sind riesige Kissen verteilt, sowie Liegematten, die mit dunkelbraunen Plüsch überzogen sind. Auf den Matten liegen die fünf Rüden. Ignar ist auch dabei. Schüchtern mache ich einen Schritt in das Zimmer hinein und bekomme den nächsten Schocker verpasst. An der Wand gegenüber vom Bett hängt eine riesige Peitsche mit mehreren Schwänzen, daneben ein kleineres Exemplar und dann etwas, womit ich niemals gerechnet hätte, so etwas überhaupt jemals mit eigenen Augen zu sehen. Büssergurte. Nero besitzt Büssergurte. Was zur….
Ich zucke vor Schreck zusammen, als ich plötzlich Neros warme Hand an meinem Rücken spüre. Er schiebt mich weiter in das Zimmer hinein, damit er die Tür hinter mir schließen respektive abschliessen kann. Eingesperrt. Mal wieder mehr. Ich umklammere meine Sachen und drücke sie fester gegen meine Brust, als könnten die mir Trost spenden oder mich irgendwie beschützen.
“Du kannst das Bett haben”, Nero geht an mir vorbei, um an die drei Bücher auf der Wolldecke ranzukommen und sie vom Bett unter das Bett zu schieben, fast so als wären sie ihm peinlich oder als wäre es ihm unangenehm, dass ich sie zu Gesicht bekommen habe. Dann beobachte ich ihn, wie er zum dunkelbraunen Kleiderschrank geht, der zwischen zwei Türen an der gegenüberliegenden Wand steht und diesen öffnet. Der Kleiderschrank ist ziemlich leer und bis auf das Bett das einzige Möbelstück im Raum. Der Alpha bückt sich und holt ein dunkelbraunes Handtuch aus der untersten Schublade heraus, sowie eine noch eingepackte Zahnbürste. “Brauchst du etwas zum Anziehen für die Nacht?”, er wirft mir einen fragenden Blick über seine Schulter zu. Im ersten Moment weiss ich gar nicht, was ich antworten soll. Ich bin so maßlos überfordert von der neuen Situation, dass mein Hirn hinterherhinkt. 24 Tage ohne ein Bett, Kleidung oder ein Handtuch und jetzt erhalte ich den Luxus mit einem Schlag zurück, den ich vor meiner Zeit im Etablissement nie zu schätzen gewusst habe. Geschweige denn ist es so ungewohnt, so viel Aufmerksamkeit von Nero zu bekommen. Und auch noch in seinem Bett schlafen zu dürfen. Nein Rika, bilde dir jetzt bloß nichts darauf ein. Er tut das, weil er es tun muss. Er hat seinen Standpunkt klar und deutlich festgemacht!
Ich blicke auf die Klamotten in meiner Hand hinunter. Okay. Mein Höschen werde ich doch erst waschen müssen, bevor ich es wieder anziehen kann und das Kleid wäre morgen ganz zerwühlt, wenn ich heute Nacht darin schlafen würde. Ich könnte nackt schlafen, aber stattdessen höre ich mich leise sagen: “Ein T-Shirt vielleicht?”
Nero nickt, richtet sich auf und holt ein schwarzes Shirt aus einer Schublade weiter oben heraus. Er legt es auf das Handtuch und befördert alles zusammen auf das Bett.
“Badezimmer, Dusche, Toilette, Waschbecken, rechte Tür. Und die linke Tür führt direkt nach Draussen in den Wald”, Nero deutet mit seiner Hand auf die beiden Türen neben dem Schrank. “Ich werde die Tür nach Draußen nicht zusperren, da die Hunde jederzeit raus sollen kommen, wenn sie den Drang danach verspüren. Aber du kannst Gift darauf nehmen, dass ich dich jagen werde, solltest du es wagen, durch diese Tür abzuhauen”, droht er und funkelt mich finster an. Irgendwie verspüre ich den Drang, ihm die Zunge rauszustrecken, aber stattdessen nicke ich nur.
Unsicher tapse ich auf das Bett zu und lege meine Klamotten darauf ab. “Und wo schläfst du?”
“Nicht bei dir im Bett”, erwidert er kühl und öffnet die Tür, die nach Draussen führt. “Ich brauche frische Luft.”
Mit diesen Worten schlägt er die Tür hinter sich zu und lässt mich mit den Hunden allein in seinem Zimmer zurück. Was? Der wird doch wohl nicht etwa draußen im Freien schlafen? Oder? Als würde er es nicht eine einzige Nacht in einem Raum zusammen mit mir aushalten. So abstossend kann er mich doch nicht finden, dass er lieber… Ich verdränge den Gedanken und schiele zu den Hunden, die immer noch allesamt völlig weggetreten sind und schlafen. Momentmal. Nero lässt mich ganz alleine in seinem Zimmer? Hat er keine Angst, dass ich irgendetwas finden könnte, was ich nicht finden sollte? Ich blicke mich noch einmal im überschaubaren Zimmer um. Okay. Wirklich viel zu entdecken gibt es nicht, bis auf das gruselige Kruzifix und die noch viel gruseligeren Büssergurte. Trotzdem erwacht die Detektivin in mir und mit ihr das unglaubliche Verlangen meine Neugier nach mehr Informationen über Nero zu stillen. Wer ist Nero und was gibt es hier drin über ihn herauszufinden? Meine erste Anlaufstelle sind die drei Bücher, die er unter das Bett geschoben hat.
Ich werfe einen letzten Blick zu der Tür, durch die der Alpha verschwunden ist, dann stürze ich mich auf die Bücher. Ich habe mich nicht getäuscht. Bei den drei dicken, alten Büchern handelt es sich wirklich um Bibeln und Nero hat diese offenbar nicht nur als Dekoration in seinem Zimmer, er liest sie auch. Beim Durchblättern finde ich diverse markierte Stellen und in einem Buch sogar ein getrocknetes Gänseblümchen, sowie ein altes Polaroid Foto.
Auf dem Foto sind drei Schäferhunde neben einem kleinen Jungen abgebildet und wenn mich nicht alles täuscht, handelt es sich bei dem Jungen mit den dunklen Haaren und den hellen Augen um Nero selbst. Mein Gott, dass Nero einmal wirklich so winzig und unschuldig war. Auf der Aufnahme lächelt er sogar und sieht aus, wie ein glückliches und zufriedenes Kind. Dieser Kontrast. Unfassbar.
Als ich das Foto zurück in die Bibel legen will, fällt mir auf der Rückseite etwas auf. Mit Bleistift ist eine Jahreszahl darauf gekritzelt. 1998. Wahrscheinlich das Jahr, in dem das Foto aufgenommen worden ist. Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und mustere Klein-Nero noch einmal. Zu dem Zeitpunkt muss er ungefähr so vier oder fünf Jahre alt gewesen sein. Das heisst, er müsste jetzt so 28 oder 29 Jahre alt sein. Was bedeutet, dass er allerhöchstens 16 oder 17 Jahre alt war, als er ins Etablissement gekommen ist. Hat der Mann überhaupt einen Schulabschluss? Und wie ist er an einen Ort wie diesen gekommen? Wurde er verkauft? War er vielleicht sogar einmal Opfer, bevor sie ihn zum Meister gemacht haben? Fragen über Fragen.
Zerknirscht schiebe ich die Bibeln wieder unters Bett. Was macht ein Mann, der so religiös ist wie Nero, im Etablissement? War er schon immer religiös oder hat er erst durch seine abscheulichen Taten zu Gott gefunden? Vielleicht hilft ihm sein Glaube, um mit dem, was er hier tun muss, fertig zu werden? Die Büssergurte und die Peitschen ziehen meine Aufmerksamkeit wie automatisch auf sich. Ob er sich selbst dafür geißelt und bestraft, wenn er einer Frau durch seine Hunde Leid zufügt? Und ist es sein Glaube, der ihn davon abhält, sich selbst an den Frauen zu vergreifen? Hat Liebe und Sex für ihn wirklich eine andere Bedeutung als für die meisten? Ist er deswegen noch Jungfrau und hetzt seine Hunde auf die Frauen, um selbst keusch oder rein zu bleiben? Schenkt er uns Frauen deshalb kaum Beachtung und sieht uns nicht an, weil er Angst hat, er könnte dann gegen seine Prinzipien verstoßen? Gegen seinen Glauben? Das ist doch absurd. Wie kann er das alles unter einen Hut bringen? Alleine seine ganze Existenz hier im Etablissement ist gegen alles, was in der Bibel gepredigt wird. Gott würde das nicht gutheissen. Das Etablissement in die Hölle auf Erden. Ein Ort, an dem furchtbare Dinge passieren und Unzucht betrieben wird. Und wenn er wirklich ein sexuelles Verhältnis zu Drae pflegt, mehr als das, was er bereits eingeräumt hat, dann ist das auch unzüchtiges Verhalten, dann könnte er sich genauso gut an den Frauen vergehen und ihnen die Demütigung ersparen, von einem Hund missbraucht zu werden.
Ich verstehe diesen Mann nicht. Keine Ahnung, was ihn antreibt und warum er hier ist und warum er hier bleibt. Das ist doch alles eine einzige verdammte Lüge. Heuchelei.
Tränen flammen abermals in meinen Augen auf. Mein Gott. Warum weine ich jetzt? Ich habe doch gar keinen Grund  zu weinen. Ich schnappe mir das Handtuch sowie Zahnbürste und T-Shirt vom Bett und öffne die Tür zum Badezimmer. Und wieder einmal mehr steht mir der Mund offen. Das Badezimmer ist wunderschön. Grauer Marmorboden, weisse Marmorwände. Das Waschbecken ist ebenfalls aus weißem Marmor. Die Toilette direkt daneben glänzt und funkelt auch im selben weißton - und ist sauber. Dreilagiges Toilettenpapier. Ein riesiger Spiegel über dem Waschbecken mit Beleuchtung an den Seiten und zu guter Letzt, das Highlight. Eine riesige Dusche mit einer Glaswand, die verhindert, dass das Wasser in den Raum spritzen kann. Wow. Erinnert mich ein wenig an ein Badezimmer in einem teuren Luxushotel. Wenn ich an die übrigen Räume denke, passt so gar nichts zueinander. Eins muss man Nero lassen, er ist ziemlich facettenreich und im Gegenteil zum Hauptraum ist das Badezimmer sauber und einladend. Alles glänzt und funkelt und es liegt ein angenehmer Geruch von Nadelhölzern in der Luft. Ich frage mich, ob die Meister ihre Räumlichkeiten selbst sauber halten oder ob es dafür Personal gibt. Andererseits habe ich bisher nie eine Putzfrau oder sowas in der Art gesehen. Ich habe auch nie einen Staubsauger gehört.
Zerstreut lege ich Handtuch sowie T-Shirt auf dem Toilettendeckel ab und packe die Zahnbürste aus. Zahncreme befindet sich neben dem Waschbecken auf einer Marmorablage, passend zum Rest. Neben Zahncreme finde ich auch noch eine Haarbürste, einen elektrischen Rasierer, Zahnseide, Mundspülung, Heilsalbe, Neros Zahnbürste in einem Glas, Ohrenstäbchen, Wattepads und Deo. Neugierig greife ich nach dem Deo und ziehe den Deckel ab. Es duftet nach einer Mischung aus Sandelholz, Minze und Rosmarin. Zumindest steht das auf dem Etikett. Der Duft ist frisch und trotzdem irgendwie herb und zusammen mit Neros Eigengeruch passt es perfekt. Oh Gott, Rika! Hör auf wieder von dem Sack zu schwärmen! Sofort. Ich stelle das Deo angewidert von meiner kindischen Verknalltheit zurück in die Ablage und putze mir die Zähne. Beim Blick in den Spiegel wird mir beinahe schlecht. Ich sehe furchtbar aus. Verheult, zerrupft und total fertig mit der Welt. Die dunklen Schatten unter meinen Augen bilden mittlerweile richtige Krater und die Schläge vom Vollstrecker haben auch ihre Spuren hinterlassen. Ich muss mir unbedingt etwas zum Abdecken besorgen. Und Feuchtigkeitscreme. Und ein eigenes Deo. Ich hebe meinen Arm an und rieche kurz. Oh ja, definitiv Deo. Ich bin so widerlich. „Kein Wunder findet er mich abstoßend“, seufze ich leise und hätte mir für die Aussage am liebsten direkt eine Ohrfeige verpasst, obwohl ich heute genug Schläge kassiert habe.
Während ich die Zähne putze und zeitgleich versuche mit Neros Haarbürste meine Haare zu entwirren, gehe ich im Kopf meine Einkaufsliste durch. Eigentlich bitter, dass ich mich bereits damit abgefunden habe, weitere 60 Tage hier zu verweilen und bei Nero…. einzuziehen. Denn genau das ist es doch, was ich gerade mache. Ich ziehe bei ihm ein. Als wären wir ein Pärchen, was wir gar nicht sind.
Das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit mal wieder eine Toilette statt einem Eimer zu benutzen, fühlt sich göttlich an. Wie ein Segen. Ich hoffe, der Erfinder der Toilette hat einen Ehrenplatz im Himmel erhalten. Ich könnte ihn abknutschen. Ich liebe ihn. Wirklich. Er ist ein Gott, mein persönlicher Gott des Aborts. Oder sowas in der Art. Ich erlaube es mir auch, in der total luxuriösen Dusche zu duschen. Regenduschkopf und in der Marmorwand sind sogar kleine Massagedüsen eingebracht, die man einzeln einstellen kann. Auch hier bediene ich mich an Neros Sachen. Shampoo und Duschgel. Riecht ebenfalls waldig und fühlt sich absolut herrlich auf Haut und Haar an.
Als ich aus der Dusche komme, bin ich ein neuer Mensch. Und abtrocknen mit einem Handtuch, oh mein Gott, wie verdammt gut ist das denn? Und das Handtuch ist auch noch so riesig und so flauschig. Am liebsten hätte ich mich wie ein Burrito darin eingerollt und den Rest des Abends darin verbracht. Stattdessen ertappe ich mich dabei, wie ich - dumm wie ich bin - mein Gesicht in Neros T-Shirt drücke und eine Nase voll frisch gewaschenem Baumwollstoff nehme. Das riecht soooo gut. Das ist wie Urlaub machen, irgendwo, wo es super toll ist. Ich ziehe mir das schwarze Shirt über den Kopf und bin nicht überrascht, das es mir viel zu groß ist und als T-Shirt-Kleid durchgehen könnte. Aber es ist ultra bequem und irgendwie riecht es, obwohl es frisch gewaschen ist, noch ein bisschen nach Nero. Ich wünschte, ich könnte einfach aufhören, diesen Mann so anziehend zu finden.
Zurück im Zimmer mit den Büssergurten und den Peitschen ist es vorbei mit Urlaub. Mit einem Schlag wird mir wieder bewusst, wo ich überhaupt bin. Nero ist immer noch verschwunden und nur Ignar öffnet kurz müde die Augen und sieht mich an. Ich gehe neben dem Hund in die Hocke und streichle ihn. Er wedelt schwach mit dem Schwanz. Ob es ihm schon besser geht? Während ich Ignar streichle, wandert mein Blick zu Tuga. Hätte ich Nero nicht geholfen, als die Dominabraut Rabatz gemacht hatte, wäre jetzt alles anders. Ganz anders. Wie eine einzelne Entscheidung so viel Einfluss haben kann…
Ich warte noch ein paar Minuten, falls Nero doch noch zurückkommen sollte, aber da die Tür nach Draußen zu bleibt, krabble ich auf das riesige Bett, wickle mich in der Wolldecke ein und schließe die Augen. Es ist super gemütlich, obwohl die Matratze hart ist, aber dank des Schaffells liegt man dennoch weich und kuschelig. Und das ganze Bett riecht nach Nero. Sein animalischer Duft hängt in den Laken, an der Decke und selbst die Kissen duften nach ihm. Verdammt. Das ist gemein. Richtig gemein.

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