Mann in meinem Bett

Da liegt ein Mann in meinem Bett und ich frage mich, wie er dorthin gekommen ist.

Ich starre ihn an.
Wie er dort liegt.
Er streckt alle Viere von sich.
Nimmt das Laken ein, als würde ihm das Bett gehören.

Sein Kopf liegt auf meinem Kissen. Ich weiss nicht, ob mir das gefällt und ich frage mich, was er dort zu suchen hat. In meinem Bett. Ohne mich.

Ich sehe die fremden Klamotten um mich herum auf dem Boden verstreut. Hebe ein Hemd auf. Rieche daran. Der Duft löst Herzrasen aus. Vielleicht habe ich diesen Mann geliebt? Ja, das ergibt Sinn. Das wäre die einzig logische Lösung. Warum sonst sollte er dort liegen, in meinem Bett, ohne mich?
Habe ich wirklich Gefühle für diesen Mann?

Ich horche in mich hinein. Fühle nichts.

Ich lasse das Hemd fallen und gehe einmal um das Bett herum. Knie mich vor ihm nieder. Selbst aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, ist mir der Mann völlig unbekannt. Nichts an ihm kommt mir vertraut vor. Nichts an ihm scheint mir attraktiv. Warum liegt er in meinem Bett? Dieser Mann, für den ich rein gar nichts empfinden kann?

Ich überlege. Krampfhaft. Ich kann mich nicht erinnern. Da ist nur Rauch in meinem Schädel und in meinem Bett liegt ein Mann. Das macht mich irre und weil ich mir nicht anders zu helfen weiß, schreie ich einfach los. Laut. Ich brülle aus vollster Kehle.

Doch der Mann bleibt einfach liegen.

Ich schaue ihn an. Betrachte ihn. Immer und immer wieder. Wer bist du und wer ist der Mann in meinem Bett?

Ich laufe in meinem Zimmer auf und ab. Ich raufe mir die Haare. Ich weine. Schlage wild um mich. Kauere in der Ecke, da ist Chaos in mir und auch um mich herum. Ich bin verzweifelt. Das ist falsch.

Was soll ich tun? Ich kann ihn doch nicht dort liegen lassen. In meinem Bett. Irgendwann lege ich mich dazu. In mein Bett hinein, auf das Laken. Ich ziehe die Decke über uns drüber und erinnere mich plötzlich an dich. Wie angerührt. Wie eine Welle. Wie ein Sturm. An die letzte Nacht.

An deine Hände, um meinen Hals.

An dein Gesicht, ganz nah an meinem.

An deinen Atem auf meiner Haut.

An dich, tief in mir drin.

An den Schmerz. An die Angst. An all das Leid.

Ich schiele an dir vorbei zu meiner Nachttischlampe.

Denke daran, warum sie nun nicht mehr dort steht.

Muss grinsen. Muss lachen. Da sind Tränen überall auf meinem Gesicht.

All die anderen Nächte keimen wie winzig kleine Sprösslinge in meinem Kopf auf. Dort, wo du nichts zu suchen hast. Wo du nicht zu liegen hast. Ich brenne sie alle nieder, das habe ich schon einmal getan. Töten, bevor sie zu Ranken werden, denn wenn sie Wurzeln schlagen, ist es zu spät.

Zu spät für mich, so wie es zu spät für dich ist.

Zusammen liegen wir in unserem Bett. Der Mann und ich und ich weiß, dass ich nun frei bin, und das, obwohl ich für immer mit ihm eingesperrt bin.

In meinem Bett.
Dort liegt ein Mann.
Und ich ganz dicht nebendran.