Kittykat671 - 3
(klobig, Reizwäsche)
“Geschäftlich”, antworte ich und kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, jemals ein Mädchen zu einem anderen Zweck hierher mitgebracht zu haben. Ich trenne Privatleben und Etablissement, Darwin hingegen passiert es öfters, dass bei ihm diese beiden Dinge ungewollt miteinander verschmelzen. Was ausnahmslos immer zu Komplikationen führt. Besonders wenn es darum geht, die Ware in andere Hände abzugeben. Gefühle sind zum Glück nicht ganz so mein Ding, daher fällt es mir wesentlich leichter zu widerstehen.
“Verstehe.”
Darwin wischt sich die Hände an der Jogginghose ab und lehnt sich über den Tisch.
“Na wenn das so ist, Darwin, Tür 32”, stellt er sich vor und streckt dem Reh seine Hand hin. Die Augen des Rehs huschen hilfesuchend in meine Richtung, als würde sie auf eine Anweisung warten, ob sie die Geste erwidern oder ablehnen soll. Auch Darwin entgeht Susans Reaktion nicht. Das Lächeln auf seinen Lippen wird breiter und sogar ich bin beeindruckt von meinem Mädchen. Sie überlässt mir die Entscheidung über ihr Handeln. Natürlich besteht die Möglichkeit, dass sie angewidert von Darwins Griffel ist, aber ich erlaube mir den Gedanken, dass in diesem Fall Ersteres zutreffend ist. Darwin ist im Gegensatz zu vielen anderen von uns ein Schönling. Gut in Form, breite Schultern, schwarze kurze Haare, blaue Augen, weiche Gesichtszüge, aber dennoch eine markante und männliche Kinnpartie. Keine offensichtlichen Narben oder andere Makel. Zarte 25 Jahre alt und nett bestückt, sofern ich das als jemand, der sich für sowas nicht sonderlich interessiert, beurteilen kann. Alles in allem einer, bei dem man sich fragt, warum er sich in unseren Gefilden aufhält. Wahrscheinlich ist seine Geschichte ähnlich wie meine, aber über sowas reden wir hier nicht.
Darwin zieht die Hand zurück und Erleichterung schleicht sich auf Susans Gesichtszüge.
“Wie lange ist sie schon hier?”
“Eine Viertelstunde ungefähr?”, schätze ich und verfluche mich, dass ich die klobige Uhr über der Matratze bereits abgehängt habe. Hätte ich vorher gewusst, dass Lenny mir heute einen Besuch abstatten wird, hätte ich mir den ganzen unnötigen Aufwand mit dem Packen sparen können. Im Nachhinein ist man wohl immer schlauer.
“Nicht schlecht”, stellt Darwin fest und ich stimme ihm lautlos zu. “Also fängst du noch einmal von vorne an?”
“Sieht wohl so aus.” Ich begutachte die stille Susan, deren Aufmerksamkeit schon wieder auf dem Foto von Johanna liegt. Neugierig bin ich ja schon, warum ausgerechnet dieses Bild es ihr so angetan hat. Es zeigt ihre Vorgängerin auf allen Vieren. Johanna trägt auf dieser Aufnahme Katzenöhrchen und Reizwäsche. Schwarze Seile halten sie an Ort und Stelle und man sieht ihr deutlich an, dass sie sich unwohl in ihrer Rolle als mein Haustier fühlt. Das Schüsselchen Katzenfutter ist unberührt. Unnötig zu erwähnen, dass sie zu dem Zeitpunkt der Aufnahme seit über vier Tagen die Nahrung verweigert hatte. Johanna war sehr widerspenstig und nicht leicht zu zähmen. Eine echte Herausforderung.
“Soll ich helfen, die Koffer wieder auszupacken?” Darwin klopft mir kameradschaftlich auf den Rücken.
“Warum eigentlich nicht”, sage ich und stehe auf. Ich gehe auf einen der Umzugskartons zu und inspiziere das Etikett. Elektronik. Bingo. Ehe ich den Karton aufhebe, überlege ich, ob ich Susan darauf hinweisen soll, sitzen zu bleiben, entschliesse mich aber dazu, es drauf ankommen zu lassen. Bisher hat sie mir keinen Anlass dazu gegeben, ihre Kooperationsbereitschaft anzuzweifeln.
Mit einer Hand entriegele ich die Tür, die zu dem angrenzenden Badezimmer und Spielzimmer führt und bitte Darwin, sich einen der Kartons mit der Aufschrift ‘Equipment’ zu schnappen und mitzubringen. Das Reh bleibt derweil brav auf ihrem Platz sitzen und schenkt uns keine grosse Beachtung. Entweder ist das ihre Art sich vor dem, was ihr bevorsteht, zu schützen oder sie blendet wirklich aus, in was für einer unmittelbaren Gefahr sie sich derzeit befindet.
Als alle wichtigen Kartons im Spielzimmer angekommen sind, fange ich parallel mit Darwin an, den Inhalt auszuräumen und aufzubauen. Computer sowie Kameras sind schnell montiert. Kniffliger wird es, alles richtig zu verkabeln. Während ich eine Packung Kabelbinder aus dem Karton links von mir heraus hole, stellt Darwin das Katzenklo in der dafür vorgesehenen Ecke auf und hustet ein paar Mal, als er das Katzenstreu einfüllt und weisser Staub in der Luft herumwirbelt.
“Hübsch, aber verdammt zahm”, keucht er und reibt sich mit einer Hand über die Nasenspitze.
“Was?”
“Dein Mädchen. Sie ist hübsch, aber irgendwie… langweilig. Woher hast du sie?”
“Von Lenny. Habe sie für dreißig Tage gekauft”, kläre ich Darwin auf und binde drei Kabel am Stuhlbein fest.
“Und es stört dich nicht, dass sie so, wie soll ich es nett ausdrücken… so… antriebslos ist?”, fragt er, während er den Staub vom Plastikrand des Katzenklos klopft. Ich schaue zu ihm herüber und zucke mit den Achseln.
“Kommt vielleicht noch. Anfängliche Schüchternheit. Aber du hast recht. Irgendetwas an ihr ist anders und genau deshalb habe ich zugeschlagen und sie gekauft. Du weisst ja, was Lenny sonst so für Mädchen anschleppt. Sie fällt da definitiv aus der Reihe.”
Darwin greift sich ein paar Kabel aus einer der Kisten und setzt sich im Schneidersitz neben mich, um mir zur Hand zu gehen.
“Und wie sieht dein Plan aus?”
“Ich bin mir noch nicht ganz sicher. Erstmal muss ich herausfinden, auf was ich mich überhaupt eingelassen habe, danach kann ich anfangen, Geld mit ihr zu verdienen.”
“Tja, eigentlich kann ich froh sein, dass du uns noch ein bisschen erhalten bleibst. Hab es dir schon ein bisschen übel genommen, mich hier allein mit dem anderen Abschaum zurückzulassen.”
Darwin grinst, dann lehnt er seinen Kopf an meiner Schulter an. Ich mag es nicht, wenn er das tut, lasse ihn dennoch gewähren, weil wir eine enge Verbindung zueinander haben und er dem, was ich mir unter Familie vorstelle, am Nächsten kommt. Als mein Hemd unerwartet anfängt, feucht zu werden und ich ein leises Schluchzen höre, merke ich, dass Darwin auch schon längst seine Koffer hätte packen sollen. Er ist kaputt und irgendwann wird ihn das Etablissement komplett verschlingen. Es wird nicht mehr lange dauern.
“Willst du mir erzählen, was los ist oder schweigen wir es lieber tot?”
“Heute wollte einer, dass ich Zeus ficke und seinen Kopf solange ins Kissen drücke, bis sein Herz aufhört zu schlagen. Er hat gezuckt. Fynn. Scheisse mann, ich spüre dieses Zucken immer noch auf meinen Händen.”
Automatisch wandert mein Blick runter zu Darwins Händen auf seinem Schoss. Sie zittern, als würden leichte Stromwellen durch sie hindurch schießen.
“Wie viel hast du dafür bekommen?”
“5000 Dollar. Ich habe ihn geliebt und ihn für ein paar Scheine einfach umgebracht.”
Ich muss Schlucken in Anbetracht der enormen Summe. Es gibt nur einen einzigen Kunden, der bekannt dafür ist, extravagante Wünsche zu äußern und dafür so viel Geld zu bezahlen. Er nennt sich Extravaganza und wer sich weigert, ihn zu bedienen, wird belächelt oder gar verspottet. Nur ein Vollidiot würde eine so hohe Summe verschmähen und schliesslich sind wir alle nicht dafür bekannt, zimperlich mit unserer Ware zu sein. Darwin hat nur wieder einmal den Fehler gemacht, sich zu verlieben und muss nun dafür wie so oft bezahlen. Da ich nicht weiss, was ich darauf erwidern soll, lege ich notgedrungen einen Arm um meinen Freund, um irgendwie Trost zu spenden, auch wenn ich es lächerlich finde, Zeus hinterher zu trauern. Zeus gehört in die gleiche Kategorie wie Lenny. Ein Junkie, der für ein bisschen Stoff zu allem bereit ist. Früher oder später hätte ihn seine Sucht sowieso eingeholt. Ein Kunde wie Extravaganza zu verärgern, hätte wesentlich schlimmere Konsequenzen mit sich gebracht. Darwin hat meiner Meinung nach also die richtige Entscheidung getroffen. Liebe ist vergänglich. Jemanden mit eigenen Händen zu töten ist eine andere Nummer. So etwas geht unter die Haut. Lässt einen für sehr lange Zeit nicht mehr los. Unweigerlich muss ich an meine erste Begegnung mit Extravaganza zurück denken und spüre, wie sich ein Kloß in meiner Brust formt. Nicht, weil sein Wunsch und die Erinnerung daran bei mir negative Gefühle auslösen, sondern weil ich die Narbe davon für immer auf meiner Haut tragen werde.
Darwin und ich benötigen für den Aufbau ungefähr eine Stunde und als alles an seinem alten Platz steht, kann ich verstehen, wie ein paar Einrichtungsgegenstände einen Raum formen können. Zufrieden kehre ich mit Darwin zurück in das Räumchen. Susan sitzt noch immer brav auf ihrem Stuhl, nur die Tatsache, dass sie weiterhin auf das Bild von Johanna starrt, verunsichert mich dann doch etwas. Auch Darwin hebt irritiert eine Augenbraue, lässt sich ansonsten aber nichts anmerken und verabschiedet sich nach einer erneuten Umarmung, die meiner Ansicht nach nicht unbedingt notwendig gewesen wäre. Wieder alleine mit dem Reh, geselle ich mich zu ihr an den Tisch und fahre mit dem Verhör fort.