Geschmacklos

Creepypasta 19. Jan. 2022

“Guck, guck!”
Walters Nasenspitze drängelt sich ungeduldig in mein Sichtfeld. Neugierig lege ich den Controller aus der Hand und werfe einen Blick auf den Zettel in seinen nervösen Fingern. Auf dem Fetzen Papier stehen vier schludrig hin gekritzelte Buchstaben. Ich brauche einen Moment, um zu entziffern, was dort steht. LUNA. Verwirrt schaue ich in die Runde. Ich kenne nur eine Luna. Also muss es wohl eine andere Luna sein.
“Wer ist Luna?”, frage ich und falle einem Kumpel unabsichtlich ins Wort. Alle Köpfe drehen sich in meine Richtung, als hätte sich soeben ein Furz gelöst und der Gestank den Übeltäter verraten.
“Deine Schwester, du Komiker”, meldet sich Raoul mit einem breiten Grinsen auf den spröden Lippen. “Wer sonst. Bist wohl mehr drauf, als ich.” Glucksend lehnt er sich aus seinem Sitzsack und angelt unbeholfen mit einem Arm nach der Flasche Strohrum auf dem Tisch. Beinahe wäre sie runtergefallen.

“Ist das ein schlechter Scherz? Wer hat den Namen meiner Schwester auf den Zettel geschrieben?”, frage ich und versuche dabei cool und gelassen zu wirken, obwohl ich alles andere, als das bin. Ich bin der Jüngste von der Gruppe und muss aufpassen, dabei bleiben zu dürfen. Selbst Walter ist ein Jahr älter als ich. Dafür bin ich drei Köpfe grösser und kann deutlich mehr trinken als er.
Mit in Unschuld badenden Mienen schauen mich die anderen an. Unangenehm. Hätte ich doch bloß nichts gesagt.

“Ich meine, sie ist doch behindert,” rechtfertige ich mich, in der Hoffnung den rettenden Anker gefunden zu haben.
“Und?”, entgegnet Larson schulterzuckend. “Das macht es doch nur noch leichter.”
“Sind halt die Regeln. Jeder darf sich eine aussuchen und das Los entscheidet. So ist das in der Lotterie. Hart aber fair. Wenn das nix für dich ist, weißt du ja, wo der Maurer das Loch gelassen hat.” Serkan deutet mit dem Bier in seiner Hand zur Tür. Zustimmendes Raunen erfüllt den Partykeller. Serkan ist unser Anführer und mit 34 der Älteste von uns allen.
“Wir können keine Weicheier gebrauchen”, feuert er unverblümt nach. “Und du weißt ja, was wir mit Verrätern machen.”
Weiß ich, denke ich und erinnere mich an Josh, der jetzt im Krankenhaus liegt und durch die Magensonde gefüttert wird. Nicht tot gemacht, nur Mundtot gemacht. Ist schlimmer, wenn man nur noch halb da ist, statt nicht mehr da.

“Ich kenn die Regeln, ich bin doch nicht blöd”, sage ich. “Ist nur komisch, weil sie halt…” Ich stoppe und denke kurz nach. Aber mir fällt nix Schlaues ein, also nehme ich den Controller wieder in die Hand.
“Egal. Ich bin dabei”, beende ich den Satz schlussendlich und bugsiere den Ball ins Tor. Lautes Fluchen von Larson, der gerade eben realisiert, dass er schon wieder gegen mich in Fifa verloren hat.
“Das ist unfair! Du hast mich abgelenkt!” Sein unzufriedener Gesichtsausdruck spricht Bände. Die Frage, ob er den Namen meiner Schwester auf den Zettel geschrieben hat, blitzt kurz auf. Könnte sein. Er hat mich auf dem Kieker, weil ich besser in Videospielen bin als er. Er nimmt das irgendwie persönlich. Vielleicht ist das seine Art, mir das heimzuzahlen. Oder es ist Walter, der Lunas Namen aufgeschrieben hat. Ich linse kurz zu ihm herüber. Komisch ist er ja schon.
“Gut, dann ziehen wir das Ding heute Abend durch. Du bringst sie mit, ich bring den Stoff. Kannst ja deinen Eltern verklickern, dass wir Party machen und wir sie dabei haben wollen.” Serkan’s Worte sind an mich gerichtet.
“Heute Abend schon?”, erwidere ich überrascht. Larson nutzt die Situation und befördert den Ball ins Tor. Laut jubelnd steht er auf und streckt die Arme in die Luft. Auch die anderen feiern Larsons hinterhältiges Manöver.

“Ist das etwa ein Problem? Ich hab Bock und die anderen bestimmt auch. Oder Jungs?” Es hagelt Zustimmung, nur meine Freude hält sich in Grenzen. Das Lächeln wird immer schwerer in meinem Gesicht und es fühlt sich an, als hätte jemand heimlich Gewichte mit einem Tacker an meine Mundwinkel geheftet.
“Nö, ich bring sie mit. Eltern haben eh nix zu melden”, lüge ich und kann mir bildlich vorstellen, wie Papa mir den Vogel zeigt, wenn ich ihm sage, dass ich Luna mit zu den Jungs nehmen will. Er hält nicht viel von meinen Freunden und findet, ich wäre ein ganz anderer, seit ich mit denen rumhänge. Recht hat er ja schon, ich bin ein Anderer. Ich gehöre endlich dazu und bin jemand. Aber Eltern verstehen sowas nicht.

Zuhause mache ich mir Gedanken, wie ich das hinkriegen und was ich machen soll. Ich muss oft an Josh denken. Und auch an Luna. Es geht mir nicht gut damit, dass sie die Nächste sein wird. Ganz schlimm ist es, als ich in ihr Zimmer gehe und ihr beim Malen zuschaue. Sie ist zwei Jahre älter als ich und trotzdem bin ich der große Bruder, weil sie geistig nicht so die hellste Birne ist und für alles immer länger braucht, als normale Kids in ihrem Alter. Sprechen kann sie auch nicht so richtig. Ihr linker Arm ist spastisch verdreht, was total blöd aussieht. Der Rechte ist in Ordnung. Laufen kann sie, obwohl sie für längere Strecken einen Rollstuhl braucht. Wird schon einfach werden mit ihr, da muss ich Larson zustimmen. Aber will ich das überhaupt? Die Gruppe hat entschieden und ich will kein Josh sein. Unweigerlich muss ich an das letzte Mädchen denken, dass in der Lotterie gewonnen hat. Natascha. Die hat mir ganz gut gefallen. Ich mag blonde Mädchen. Das schlechte Gewissen war bei ihr auch nicht so schlimm wie bei Sandy. Sandy war in meiner Klasse und manchmal hat sie mich so angesehen, als wäre sie in mich verliebt. Da hat es mir leid getan, sie auf den Zettel zu schreiben. Aber wen hätte ich sonst auf den Zettel schreiben sollen? Jedenfalls nicht Luna.

Nach dem Abendessen schnappe ich mir Luna und helfe ihr in den Mantel. Ich ziehe ihr sogar Handschuhe und Mütze an, weil es kalt draußen ist. Dann sage ich zu Mama: “Ich gehe mit Luna spazieren!”
“Oh, das ist aber schön! Aber kommt nicht zu spät nach Hause!”, antwortet sie nichtsahnend aus der Küche und prompt fühle ich mich wieder schlecht. Ohne etwas zu erwidern, schließe ich die Tür hinter uns und mache mich auf den Weg zum Treffpunkt. Luna ist langsam unterwegs und je länger wir für die Strecke brauchen, desto ungeduldiger werde ich. Das ist eine blöde Idee. Eine ganz blöde Idee.

Als ich vor Serkans Haus stehe, kommen mir die Jungs entgegen. Wie vereinbart tragen sie die Donald-Trump-Masken. Walter reicht mir meine. Bei Luna müssen wir uns keine Mühe geben und das Mittel habe ich ihr schon heimlich beim Abendessen in ihren Eistee gemischt. Sie ist ein bisschen beduselt und lallt, aber ihre Augen sind immer noch hellwach.
“Hätte wetten können, du kneifst”, begrüßt mich Serkan und klopft mir anerkennend auf die Schulter.
“Spinnst du?”, sage ich cool und schaue rüber zu Larson, der sich bei Luna einhakt. Ich wusste es. Er hat ihren Namen auf den Zettel geschrieben, um mir eins auszuwischen. Arschloch. Ich spüre, wie ich sauer werde. Bloß nichts anmerken lassen.
“Cool, dann können wir ja loslegen”, meint Larson selbstgefällig. Die anderen Trumps nicken und marschieren los. Während wir gehen, lallt Luna irgendetwas vor sich hin und die anderen machen sich darüber lustig. Raoul reicht eine Flasche Vodka rum und jeder trinkt davon. Schmeckt ganz anders als Vodka. Aber es hilft und macht, dass man lockerer wird. Zumindest normalerweise. Heute will es nicht so richtig helfen.

Als wir bei den Gleisen ankommen, habe ich schon ordentlich einen intus. Alles dreht sich und ich muss andauernd lachen, obwohl mir nicht zum Lachen zumute ist. Der Ort ist abgelegen und still. Hier machen wir es öfters, manchmal auch in Serkans Partykeller. Es ist Larson, der meine Schwester auf den Boden drückt. Sie wehrt sich kaum, nur anfangs ein bisschen. Das beruhigt mich. Bei meinem ersten Mal war es Laura, die dort gelegen hat. Und als ich an der Reihe war, hatte ich Angst und wollte kneifen, aber dann hat mir Serkan erklärt, dass es okay ist, weil sie ja drauf sind und sich eh nicht erinnern können. Und Luna ist definitiv drauf. So high habe ich meine Schwester noch nie gesehen.

Raoul ist derjenige, der anfängt Luna auszuziehen. Erst die Hose, dann kurz darauf die Unterhose. Larson hält sie fest und Walter schaut einfach zu, so wie ich und Serkan es tun. Luna windet sich und strampelt träge mit ihren dünnen Beinen.
“Los, du darfst als Erster. Schließlich ist sie deine Sis”, fordert mich Serkan unerwartet auf. Normalerweise ist er immer der Erste, danach erst dürfen wir.
“Was?”, frage ich dümmlich und tue so, als hätte ich mich verhört, obwohl ich ganz genau verstanden habe, was er gesagt hat.
“Los, mach! Es ist scheissekalt und ich frier mir den Arsch ab!”, betont er schärfer und wurstelt an seiner Hose herum.
Bei mir tut sich gar nichts. Aber ein “ich kann nicht” kommt nicht in die Tüte, das weiß ich. Also tue ich es Serkan gleich und hol mein Ding aus der Jeans heraus. Es hängt schlaff in meiner Hand herunter. Das ist mir peinlich, besonders als Walter anfängt mit dem Finger drauf zu zeigen und laut loszulachen.

“Is wohl nix los bei dir”, verhöhnt er mich und ich hätte ihm am liebsten eine mit der Faust verpasst.
“Zuviel gesoffen oder was?”, ballert Larson nach. Jetzt bin ich so wütend, dass ich kurz davor bin zu weinen, aber ich halte es zurück, so wie ich es immer Zuhause mache, wenn Mama und Papa sich streiten und Teller herumfliegen.
Mit einem giftigen “Fickt euch doch!” fange ich an, an mir herumzuspielen und an Natascha zu denken. Bei der hatte es auf Anhieb geklappt.

Als er so halb oben ist, will ich mich an die Sache machen. Es ist Serkan, der mich stoppt. “Ey, warte, ich will zuerst ihre Titten sehn’!”
Sein Arm ist direkt vor meinem Bauch, wie eine Schranke. Larson tut wie ihm geheißen und zieht Luna ihr Oberteil hoch. Sie trägt keinen BH. Bisher habe ich noch nie die Brüste von Luna gesehen. Schauen ganz normal aus. Trotzdem ist es mir unangenehm, sie so entblößt da liegen zu sehen.
“Holy shit! Deine Sis hat echt geile Möpse, hätte nicht gedacht, dass ne Behinderte so schicke Tittchen hat.” Serkan pfeift anerkennend durch seine Zahnlücke und auch die anderen lassen Begeisterung verlauten. Raoul holt sein Handy raus und filmt, so wie er es immer macht.

Mir reichts. Ich will das jetzt hinter mir haben. Wie ein Stier wuchte ich Serkans Armschranke aus dem Weg und lege mich auf meine Schwester drauf. Und anders als die anderen Mädchen vor ihr fängt sie an laut zu schreien. Larson reagiert schnell und hält ihr den Mund zu. Ich fühle mich, wie paralysiert. Das hat noch keine gemacht. Wirkt das Mittel nicht? Hilfesuchend gucke ich zu Serkan nach hinten. Ich muss gleich kotzen. Mir ist so schlecht.
“Mach jetzt!”, fordert er angepisst.
Ich schlucke die Spucke in meinem Mund herunter und versuche mit einer Hand mein Ding in Luna reinzubringen. Meine Hände zittern so arg, dass ich es einfach nicht hinbekomme. Vielleicht merken sie es nicht, wenn ich nur so tue als ob. Ich drücke mich fester auf Luna und fange dann an meinen Unterkörper an ihr zu reiben und laut zu stöhnen.
Die anderen lachen und feuern mich kameradschaftlich an, während ich mich abmühe.

Dann mache ich den Fehler und schaue statt nach rechts auf den grauen Asphalt nach vorne, direkt in Lunas Gesicht. Ihre Augen sind ganz leer. Geht es ihr gut? Hastig haue ich Larsons Hand von Lunas Mund weg. Die Lippen sind blau. Die sollten aber nicht blau sein!
“Ey, fakest du das?”, brüllt Larson und packt mich an der Schulter. Serkan kommt zu uns und bückt sich zu mir herunter.
“Sag mal, willst du mich verarschen?”
Er nimmt mein Gesicht zwischen seine groben Finger und zwingt mich ihn anzusehen. “Fick sie, oder wir ficken dich!”
“Luna geht’s nicht gut!”, sage ich verzweifelt und merke, dass es nun nicht mehr so hinhaut mit dem nicht weinen.
“Is mir scheissegal! Mach!”
Ich spüre Serkans flache Hand durch die dünne Maske auf meiner Wange. Die Schelle kam unerwartet. Es brennt wie Hölle. Automatisch kommt die Erinnerung an Josh und die Magensonde hoch. So viel Angst hatte ich noch nie. Mein Herz hämmert in der Brust und der Alkohol in mir macht es nicht besser. Ich will Papa anrufen und ihm alles erklären.
“Mach!”
Serkans Faust fliegt mir um die Ohren. Blut tropft aus meinem Mund auf Luna hinunter. Es tut mir so leid, Luna. So leid.
Bevor Serkan mich noch einmal hauen kann, stecke ich mein Ding so gut wie es geht in meine Schwester hinein und bin erleichtert, dass sie ganz warm ist. Oh Gott. Sie ist nicht tot.
“Braver Junge”, flötet Larson neben mir und streichelt mir durchs Haar. Ich hasse ihn. Ich hasse ihn so sehr.

“Hahahahaha, schau mal her, wie er seine Sis fickt. Wie n’ Karnickel! Is geil, wa?”
Serkans Hände umfassen meinen Po. Jetzt gibt er den Rhythmus an. Fester und schneller. Es tut so weh und ist so trocken. Ich kann nicht aufhören!
“Spritz sie aber nicht zu voll, wir wollen da auch noch ran!”
Wieder lachen sie alle im Chor. Warum finden sie das so lustig?
Ich presse die Augen zusammen. Probiere an irgendetwas anderes zu denken. Aber es geht nicht.

“Scheisse…. Scheisse!”
Was ist los?
“Die atmet nicht mehr!”
Was? Was sagt Larson da?
“Er hat seine Schwester totgefickt! Alter! Lasst uns verschwinden! Los!”,
Das Geräusch von Jacken und Reißverschlüssen ist zu hören. Dann Flaschen, die auf den Boden fallen und zersplittern
“Du bist so krank ey!”, flüstert Serkan in mein Ohr und lässt mich los. Panisch öffne ich die Augen und starre Luna unter mir an. Sie hat Schaum vor dem Mund und kotze liegt neben ihr auf dem Boden.
“Luna!”, schreie ich verzweifelt und halte ihren Kopf hoch. Sie reagiert nicht.
“Luna!”
“Luna!!!”

Die anderen rennen weg und lassen mich allein. Ich sollte auch wegrennen, aber mir ist so schwindlig. Was hab ich getan? Ich schüttle Luna. Immer und immer wieder.
“Wach doch auf! Bitte!”
Aber Luna wacht nicht mehr auf.

Ich wollte das doch nicht. So hätte das nicht ausgehen sollen. Nicht so. Weil ich nicht weiß, was ich machen soll, rutsche ich von Luna runter und lege mich neben sie. Das ist doch ein schlechter Scherz. Das ist nicht wirklich passiert. Völlig kaputt kuschle ich mich an sie, um sie zu wärmen, damit sie nicht friert.
“Es tut mir so leid. So leid. Hörst du?”

Es ist Papa, der uns findet. Er wickelt Luna in eine Decke ein und bringt sie zum Auto. Ich hätte es ihm gerne erklären wollen. Aber mir fehlen die Worte. Ihm geht es ebenso. Ohne was zu sagen, lässt er mich dort stehen und fährt mit Luna davon.

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