Erinnerung - Turm

Poesie 21. Jan. 2022

Es fühlt sich an kalt an zwischen den dicken, kahlen Mauern des Turms, in dem ich eingeschlossen bin. Warum bin ich hier? Ich wünschte, ich könnte es vergessen, es einfach aus meinem Kopf radieren und gewiss hätte ich die Leere, die es hinterlassen würde, begrüsst. Leere, ... überall ist sie, nur nicht in meinen Gedanken. Diese drehen sich ständig und unaufhaltsam um das Warum. Warum ich? Warum du? Und warum tust du mir das an? Warum lasse ich es zu? Immer wieder ohne mich zu wehren, ohne mich befreien zu können. Befreien von dir und dem was du mir antust. Kaum bist du da, fühle ich mich wie paralysiert. Kann nicht mehr atmen, kann nicht mehr schreien, kann nicht mehr rennen. Nein. Wenn ich dich bereits im Türrahmen stehen sehe, weiss ich, es ist wieder so weit.Meine Augen können sich nicht von dir lösen, saugen jeden Zentimeter deines Körpers in sich auf. Schätzen dich ein, analysieren jede Bewegung, filtern deinen Duft und zeichnen deine Züge auf ein ungeschriebenes Blatt Papier. Füllen es mit dem Schicksal, was mir bevorsteht. Schweiss, Parfum, Aftershave, die Zigarette zwischen deinen Lippen. Der Geschmack deiner Zunge in meinem Mund. Dein Körper auf meinem, Haut, die aneinander reibt. Nägel, die Schmerz hinterlassen und Finger, die mich an Ort und Stelle festhalten. Hattest du einen guten Tag, tut es weh. Hattest du einen schlechten Tag, drohe ich zu sterben. Bist du erschöpft, wird es kurz, bist du es nicht, werde ich am nächsten Tag nicht mehr stehen können. Erinnerungen ätzen sich durch mein Fleisch wie Säure. Nicht da, nein. Nicht. Ich hasse es, wie du mich berührst an Stellen, wo deine Finger nichts zu suchen haben. Berühr mich nicht, es tut weh, nein. Siehst du das nicht? NEIN. Ich höre wie deine Stimme in mein Ohr flüstert. Ich solle es geniessen. Es wird sich schön für mich anfühlen. Alles Lügen, die drohen mein Trommelfell zu zerplatzen. Du bist so leise, keiner kann uns hören. Niemand hört das Kratzen, niemand lauscht dem Flehen, keiner versteht die Symphonie deines Treibens, ausser ich. Du bist ein Musiker und ich dein Instrument, du bist der Spiegel und ich ein Abbild deiner selbst vor vielen Jahren. Ein Opfer, das zum Peiniger wird und mich in eine Rolle drängt, für die ich nicht geschaffen bin. Theater, alles was du tust, ist ein Schauspiel aus Lust und Schmerz. Wir sind facettenlose Figuren eingepfercht zwischen Wänden. Ich will dir die Maske herunterreissen, will, dass du siehst, was du mir antust. Siehst, wozu du mich drängst, siehst, zu was du mich machst. Ich bin leer, so leer. Ich will nicht so werden, wie du. Mach mich nicht zu einem Monster. Ich will blühen, nicht welken…Bist du fertig, lässt du mich zurück. In Scherben. Ein Puzzle aus Schmerz, in dem kein Teilchen mehr zum anderen passt. Es kann nicht mehr zusammengefügt werden. Du hast mich gebrochen, zu deinem Werkzeug gemacht, nur um deine unendliche Gier zu stillen. Jederzeit, immer wenn es dir beliebt, warte ich auf dich zwischen den dicken kahlen Wänden meines Turms. Den Turm, in den du mich einst eingesperrt hast.

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